Von August 2014 bis Juli 2015 habe ich in Mosambik gelebt und gearbeitet. Auf diesen Seiten werde ich von einige Eindrücke und Erfahrungen von meinem Freiwilligendienst in Maputo, der Hauptstadt, berichten. Bitte bedenkt, dass lediglich meine persönliche Sicht auf die Dinge hier zu lesen sein wird und dies nicht zu verallgemeinern ist! Es freut mich, dass ihr hier her gefunden habt!

Montag, 16. Februar 2015

Alltägliches Update

Hallo meine Lieben,

wenn ich in meinen Kalender schaue, ist es schon wieder an der Zeit, euch zu schreiben. Wenn ich allerdings nach meinem Gefühl gehe, habe ich das Gefühl, aus dem Schreiben schon gar nicht mehr raus zukommen – vergeht die Zeit denn wirklich so schnell? Wahnsinn, dass ich in nicht einmal mehr 170 Tagen schon wieder zu Hause sein und auf meine Zeit in Mosambik zurück sehen werde.
So richtig weiß ich ja nicht, worüber ich schreiben soll/möchte, aber wie ihr mich kennt, werde ich dennoch etwas finden. Also, los geht’s:

Anfang des Monats sollte endlich etwas wieder besser ins Laufen kommen, worauf ich so lang gewartet habe: meine Arbeit im Projekt. Vor zwei Wochen begleitete ich Hannah zu ihrem ersten Arbeitstag bei REMAR. Auch sie war vor allem von der Desorganisiertheit und den Zuständen im Projekt weniger begeistert, schloss die Kinder allerdings umso schneller in ihr Herz. Unser erster gemeinsamer Arbeitstag hat mir viel Hoffnung gemacht! Da ich allerdings immer noch vom Arzt „krank geschrieben“ war und der Arbeit somit noch die ganze Woche über fern bleiben sollte, musste sich Hannah die ersten Tag wohl oder übel dennoch allein durchschlagen. Diese Woche lief allerdings nicht wie alle anderen. Am Montag Nachmittag machte ich mich mit Greta, deren Nachbar und Hannah auf den Weg nach Marracuene, wo das bekannte Marabenta-Festival stattfinden sollte. Der Ort, den ich zuvor nur als sehr ruhig und klein kannte, verwandelte sich plötzlich in ein lautes, volles „Festivalgelände“, was meiner Meinung nach nicht mosambikanischer hätte sein können. Nachdem wir also etwas durch die Straßen und über das richtige Festivalgelände liefen, setzten wir uns letztendlich auf dem Gelände hin und aßen, quatschten, aßen, quatschten,.......... und auf einmal waren wir alle ganz schön müde. Ohne wirklich etwas vom richtigen Festival mitbekommen zu haben, entschieden wir uns, irgendwie noch zurück nach Maputo bzw. nach Matola zu fahren. Als wir endlich im Chapa saßen, sollte uns die bisher schlimmste Fahrt bevorstehen, die ich je miterlebt habe. Unser Chapafahrer war einfach so betrunken, dass er, als wir an der Station Benfica ankamen, nur noch nach von aufs Lenkrad viel und schlief. Immerhin sind wir da noch lebend heraus gekommen! Weiter ging es dann nach T3 und von dort schaffte ich es mit viel Glück wirklich noch nach Infulene, nach Hause. Meine Gastmutter hatte mich bereits informiert, dass keiner zu Hause sein wird. Dass dies aber bis 3 Uhr nachts der Fall sein wird, hatte sie nicht erwähnt. So saß ich also im Regen und in der Kälte (ja, der ausnahmsweise kälteste und unangenehmste Tag des gesamten Sommers!!!) vor verschlossener Tür, halb schlafend, und wartete. Wie es das Glück aber wollte, kam nach ca. einer Stunde ein Freund vorbei, der mich einlud, bei ihm im Haus zu warten. Zusammen mit Kumpels und seiner Familie verbrachte ich noch eine Stunde vor dem Fernseher, bis ich letztendlich völlig kaputt einschlief – und erst am nächsten Morgen wieder aufwachte. Heimlich schlich ich mich zu Hause rein, ich wollte mir gar nicht ausmalen, wie sauer Gledice evtl. sein könnte. Doch alles ganz entspannt: Nercio war zwei Abende zuvor von fast 4 Wochen Arbeiten in Inhambane wieder nach Hause gekommen, sie waren die Familie besuchen und mein lieber Gastvater genoss seinen ersten „freien“ Abend einfach nur etwas zu sehr. Zudem hatte er die Schlüssel bei sich und keiner wusste, wo er nun eigentlich war. Eine im Nachhinein lustige Geschichte – diese Nacht muss ich dennoch nicht noch einmal erleben.An diesem Dienstag war dann Feiertag, „Tag der mosambikanischen Helden“, den ich jedoch mehr oder weniger komplett verschlafen habe. Die nächsten Tage besuchte mich Kati mal wieder in Maputo, um anschließend ihre Schwester aus Südafrika abzuholen. Mit ihr verbrachte ich zwei entspannte Abende in der Stadtwohnung und in der Associacao. Auch das Wochenende verlief eher entspannt: Associacao, Stadt, ein wenig shoppen und nach langer Zeit mal wieder an die Costa do Sol. Zudem besuchte ich zwei Freunde in ihrer Wohnung, die mich Abends noch zum Thai-Essen einluden. Ein insgesamt sehr schönes Wochenende, zumal zumindest alle anderen Freiwilligen aus der Stadtwohnung auf Reisen waren und ich somit auch in der Stadt endlich vieeeeeel Schlaf finden konnte.
Ab der darauf folgenden Woche ging dann der Ernst meines Freiwilligen-Lebens wieder los. Ich arbeite mit Hannah nun bis Mittags im Projekt, da sie die nächsten Wochen am Nachmittag Portugiesischunterricht haben wird. Zur Zeit ist es noch eher Eingewöhnungsphase, aber ich bin zuversichtlich, dass wir bald kleinere und größere Pläne machen werden. Kennt ihr noch dieses Spiel mit dem Gummiband zwischen den Händen, was man so gut wie ewig fortsetzen kann? Unsere Mädchen sind verrückt danach und auch Hannah und ich haben das Kind in uns wieder zum Leben erweckt! Und so kommen Tag für Tag Kleinigkeiten dazu, die der Arbeit zumindest von meiner Seite aus positive Punkte geben.
Was in der letzten Woche auch endlich wieder ins Laufen gekommen ist, ist das Tanzen. Ja, wir haben endlich wieder einen Raum, in dem wir wenigstens etwas trainieren können. Auch, wenn der Saal eigentlich viel zu klein ist und wir keine Livemusik haben können, tut es gut, wieder zu tanzen. Im Juni haben wir eine große Aufführung, bei der ich auch dabei sein darf. Dafür heißt es jetzt allerdings trainieren, trainieren, trainieren – und das in der unvorstellbarsten Hitze, die in Mosambik je herrschen könnte! Ehrlich, ich übertreibe nicht. Die letzte Woche war einfach nicht mehr angenehm…
Am Freitag (dem 13.) kam Kati dann mit ihrer Schwester aus Johannesburg wieder nach Maputo und wir verbrachten zusammen mit Hannah einen entspannten Abend in der Garanjinha. Am nächsten Morgen sollte ich FREIWILLIG um 6 Uhr aufstehen, um nach Matola zu fahren. Hier sollten wir von 8 bis 11 Uhr ein „offenes Training“ haben. Aufgrund von angekündigten 40°C war die Teilnehmerzahl eher beschränkt. Es hat wahnsinnig Spaß gemacht, aber die Hitze und die kurze Nacht zuvor hatten mich doch zu sehr in der Hand, sodass ich eine Stunde früher abbrechen musste. Dennoch habe ich etwas gefunden, was mich selbst Samstag Morgen aus dem Bett treibt und dazu bringt, eine Stunde weit zu fahren, nur um zu tanzen. Diese Motivation möchte ich ab jetzt zu jedem Training mitnehmen!
Der Rest des Wochenendes war dann wieder sehr entspannt und ich habe viel Zeit mit meiner Gastschwester Aillen verbracht. Diese Woche geht es also weiter mit arbeiten, tanzen und alltäglich Erledigungen – ein ganz normales Leben also, was sich in den letzten Wochen so richtig fest einspielt. Dennoch ist natürlich keine Woche so selbstverständlich, wie ich sie in Deutschland verbringe.

Zur Zeit plane ich eine tolle Reise nach Kapstadt Mitte März. Ich freue mich wahnsinnig darauf, für längere Zeit wieder heraus zu kommen und ein weiteren Teil dieser wunderbaren Erde kennen zu lernen. Wenn es soweit ist, werdet ihr hier bestimmt einen ausführlichen Reisebericht lesen können.

Bis hier hin soll es das aber erst einmal wieder gewesen sein. Irgendwie werde ich schreibfaul, weiß nicht mehr so recht, was für Gedanken ich noch mit euch teilen soll – ihr wisst doch eh schon so viel! Wer aber dennoch ein paar spezielle Fragen hat, darf diese gern in den Kommentaren hinterlassen. Ich versuche dann im nächsten Eintrag darauf einzugehen! Vielleicht habe ich dann auch mal wieder mehr Muße zu einem kreativeren Eintrag.

Eines kann ich euch aber mit Sicherheit sagen: Mein Leben in Mosambik wird definitiv nicht langweiliger. Jeden Tag erlebe ich einzigartige Augenblicke, lerne tolle Leute kennen und mache wunderbare Erfahrungen. Ich bin immer noch glücklich mit meiner Entscheidung, nach Mosambik zu gehen, sodass ich ein wenig Angst davor habe, mich bald für ein Studienplatz zu entscheiden. Aber davon möchte ich gerade noch nicht so viel wissen…

Bis zum nächsten Mal verbleibe ich mit verschwitzten aber herzlichen Grüßen, Küssen, Umarmungen…


Eure Anni :)

Costa do Sol mit Kitesurfern und Maputos Skyline

Lifes tägliches Kopf- und Handstandtraining :)

Dienstag, 3. Februar 2015

Wer hat an der Uhr gedreht?

Hallo ihr Lieben,

Mehr als die Hälfte meiner Zeit ist nun schon vergangen und so durfte ich für meine Organisation und vor allem für die weltwärts-Forderung erneut ein Resumé ziehen. Was dabei zustande gekommen ist, seht ihr hier (Einiges wird sich doppeln, anderes kann vielleicht doch nochmal einen neuen Gedanken aufbringen lassen.):

Halbjahresbericht. Halbe Zeit. 6 Monate. Bitte was? Kann mich bitte jemand aufwecken und mir sagen, dass ich gerade erst angekommen bin? Ich habe jegliches Gefühl für Zeit verloren, genieße jeden Tag – LEBE jeden Tag in meiner neuen Heimat. Mir geht es gefühlsmäßig super, ehrlich gesagt so, wie ich es mir anfangs immer erträumt habe. Und dennoch hatte ich die Hoffnung schon fast aufgegeben. Aber nein, ich liebe es. Mosambik ist ein Teil von mir – wird es immer bleiben.

Zum förmlichen Inhalt dieses Zwischenberichts:
Die Zeit seit dem letzten Bericht verlief holprig und war von vielen ungewöhnlichen Alltagssituationen geprägt. Seit Ende November/Anfang Dezember sind hier Sommerferien und so hieß es in meinem Projekt dreifache Belastung. Jeden Tag waren alle Kinder (ca. 60) rund um die Uhr im Haus. Für mich hieß das eigentlich Folgendes: Aktiv werden, Gruppen organisieren, Pläne machen. Realistisch betrachtet lief das dann doch anders ab: Absolute Überforderung, Desorganisiertheit, keine Absprachen. So kam es dazu, dass ich mich täglich einfach zu den Kinder setzte, wartete und keine zwei Minuten später von ihnen ein Programm vorgeschlagen bekommen habe. Eine für mich mittlerweile akzeptable Arbeitsmethode, da ich es schrecklich finde, den Kindern außerhalb ihrer Schulzeit (und vor allem in den verdienten Ferien) einen weiteren „Stundenplan“ aufzudrücken. Der Dezember wurde also trotz viel Durcheinander zu einer tollen Zeit, die meine Verbindung zu den Kindern nochmals enorm verstärkte. Vor allem zu den Jugendlichen Mädchen hatte ich eine starke Beziehung, doch aus persönlichen Gründen sind ca. 5 Mädchen geflohen – aus meiner Sicht teilweise verständlich, teilweise aber auch bedenklich: Wo sind sie? Was machen sie? Geht es ihnen gut? Doch sie wissen, dass sie mich immer erreichen können, wenn es ihnen mal nicht so gut gehen sollte oder wenn sie nur ein offenes Ohr brauchen. Ich habe diese Mädchen in mein Herz geschlossen, war jedoch immer traurig, dass unsere gemeinsame Zeit täglich damit ein Ende fand, dass ich in die „weite Welt“ entlassen und die Tür zwischen uns wieder fest verriegelt wurde. Ein Gedanke, der mich noch lange Zeit begleiten wird.
Eine Woche vor Weihnachten wurde ich krank, ich bekam eine Pilzinfektion unter meinem linken Arm und musste deshalb jeden Tag ins Krankenhaus, um behandelt zu werden. Genau in meiner letzten offiziellen Arbeitswoche. Dennoch wurde ich am Freitag Nachmittag zur Weihnachtsfeier meines Projekts eingeladen. Die Kinder haben sich sehr gefreut, mich wieder sehen zu können, auch wenn ich aufgrund meiner Behandlung etwas aufpassen musste. Es war eine riesige Freude, den Kindern beim Spielen zusehen zu können: Hüpfburg, Popcorn, Fußball, Kinderdisco, Spielzeug, welches sonst nie angerührt werden darf. All das zauberte ihnen funkelnde Sterne in die Augen, die ich so schnell nicht vergessen werde.
Die darauf folgenden 3 Wochen hatte ich frei bekommen – Weihnachten, meinen Geburtstag und Neujahr sollte ich im Kreise meiner Familie feiern. Ein Tag vor Weihnachten stand ich also nach fast 5 Monaten erneut am selben Flughafen, der auch mich im August in Empfang nahm. Und dann öffnete sich die Tür: Meine Eltern und ihre Tränen lieferten sich einen spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen! Was für ein Gefühl, wenn das heimische Herz wieder anfängt, im richtigen Takt zu schlagen. In den nächsten 3 Tagen stellte ich ihnen im Schnelldurchlauf mein neues Leben in Maputo vor. Das verpflichtende Weihnachtsessen in meiner Gastfamilie war der perfekte Anlass, sich unser schönes Haus mal live anzusehen. Am nächsten Tag stand der Besuch in meinem Projekt an: Meine Eltern brachten ca. 45kg Weihnachtsgeschenke (Spenden von Familie, Freunden, Bekannten und vor allem Schüler(inne)n meiner ehemaligen Schule [TFG Strausberg]) für alle Kinder in Liberdade mit. Auch wenn diese Aktion mit viel Stress verbunden war, so genossen wir die Stunden mit den Kindern trotz winterlichen 38°C vollkommen. Dennoch wurde vor allem meinen Eltern in diesen Momente bewusst, dass es in meinem Projekt an so viel essenzielleren Dingen fehlt: funktionierende Toilettenspülungen, geschlossene Duschräume, ausreichend Betten für alle Kinder, pädagogisch ausgebildete Fachkräfte – das sind leider nur einige Beispiele.

Überladen von Maputos Dreck und Lärm machten wir uns am 2. Weihnachtsfeiertag auf Reisen. Unsere Tour führte uns durch Swaziland, wo wir unter anderem eine tolle Wanderung zu einem Wasserfall unternahmen, gefolgt von Südafrika, wo wir in den folgenden zwei Tagen Elefanten, Giraffen, Büffel, Nilpferde, Warzenschweine, Sträuße,... auf unserer 300km langen Strecke durch den Krüger Nationalpark aus nächster Nähe bestaunen konnten, wieder nach Mosambik an Strände wie Tofo, Bilene und Macaneta. Neujahr verbrachten wir gemeinsam mit den anderen ICJA Freiwilligen in Tofo, wo wir nach 5 Monaten einfach mal richtig durchatmen und Zeit für uns fanden. Schon einige Tage, tiefe Gespräche und unzählige einmalige Erlebnisse später standen wir wieder in Maputo, die Koffer dieses Mal gefüllt mit den ersten Mitbringseln: Weihnachtsgeschenke für die Familie und erste Souvenirs, die in 6 Monaten nicht alle in meinen Koffer passen würden. Wieder flossen Tränen, doch für mich steht fest: Nach Deutschland führt mich so schnell nichts mehr. Und dennoch weiß ich, dass ich im Juli nach Hause zurück kehren, umziehen und im Herbst mein Studium beginnen werde. Doch daran möchte ich gerade ungern denken.
Auch meine letzten Urlaubstage verbrachte ich noch einmal in Tofo, weit weg vom lauten Maputo, was ich dennoch immer mehr zu schätzen und zu lieben lerne. Dennoch tat es gut, einfach viel Zeit für mich selbst zu haben, mir Gedanken über die noch kommende Zeit zu machen und etwas mosambikanische Sonne zu tanken.
An meinem ersten Arbeitstag nach meinen Ferien freuten sich die Kinder unglaublich, mich wieder zu sehen. Auch, wenn die Ferien noch immer nicht vorbei und somit das absolute Chaos angesagt war, so organisierten sich die Kinder fast von selbst. Fast schon positiv geschockt ging ich an diesem Tag nach Hause. Am nächsten Tag wachte ich auf, krank. Mal wieder. Das wird wohl nie ein Ende haben. Da am Wochenende unser Midtermcamp stattfinden sollte, entschied ich mich, mich auszukurieren und danach wieder voll in die Arbeit einzusteigen. Das Midtermcamp wurde dann aus mehreren doofen Zufällen zu einem kleinen Reinfall, und dennoch genossen wir alle die Ruhe, wenn auch nur 30km entfernt von Maputo. Zurück in der Hauptstadt holten wir am 21.01. Anna sowie die neuen Freiwilligen ab. Die nächsten Tage zeigten wir ihnen die Stadt, kauften Handykarten für sie, nahmen sie schon einmal auf die erste kleinere Feier mit. In einem solchen Jahr wächst man schnell zu einer Familie vieler Fremder Personen zusammen, denn eines haben wir alle gemeinsam: Auf Reisen ist man nicht gern einsam. Und so nahmen wir es uns gern zur Aufgabe, ihnen ihre ersten mosambikanischen Erlebnisse zu vermitteln.
Die nächste Woche sollte wieder unter schlechten Wolken stehen: Meine Pilzinfektion war zurück, dieses Mal schlimmer und aus, auch für den Arzt, unerklärlichen Gründen. Seitdem bin ich also wieder täglicher Stammgast in der Klinik und genieße die klimatisierte Luft im Gegensatz zu den 35°C herrschenden Außentemperaturen.
Durch all diese mehr oder weniger geplanten Zwischenfälle war ich nun schon lang nicht mehr regelmäßig arbeiten. Für das neue Jahr hatte ich mir vorgenommen, mit AJUDE, unserer Organisation hier vor Ort nochmal das Gespräch zu suchen: Ich brauche dringend Unterstützung und wenn das nicht möglich ist, möchte ich wohl oder übel das Projekt wechseln wollen. Alles klärte sich recht bald und so wird Hannah, eine der neuen ICJA Freiwilligen, ab nächster Woche mit mir zusammen in Liberdade arbeiten. Ich wollte nie von den Kindern weg, liebe sie über alles, und dennoch merke ich, dass mein Projekt der Punkt in meinem Leben hier ist, der mich immer wieder zurück zieht. Es hindert mich daran, 100%ig glücklich zu sein. Dennoch bin ich optimistisch, mit Hannah jetzt einige Pläne angehen zu können und wieder genug Motivation zum arbeiten aufzubringen. Meine Rolle bei REMAR hat sich also dementsprechend noch nicht viel zum vorherigen Bericht geändert, was ich sehr schade finde. Meine Ziele sind dementsprechend auch noch die selben geblieben: Verständigungsprobleme durch AKTIVES Portugiesisch-Lernen vermeiden, aktiv werden, mehr Kontakt zu meiner Ansprechperson aufbauen, kleine Pläne und somit kleine Schritte wagen. Ich freue mich auf die gemeinsame Zeit mit Hannah und ich denke, wir werden meine restlichen 6 und ihre 12 Monate dazu nutzen, den Kindern jeden Tag ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Das ist die einzige Möglichkeit, das Projekt ein kleines Stück weiter nach vorn zu bringen und gleichzeitig für uns selbst dazu zu lernen.
Nun noch einige Worte zu meiner Gastsituation. Grundsätzlich hat sich seit dem 3-Monatsbericht nicht viel geändert, denn nach wie vor LIEBE ICH MEINE GASTFAMILIE! Sie sind toll, ich habe immer und immer mehr meine Freiheiten, fühle mich dennoch wie ein komplettes Familienmitglied. Meine Gastmutter kümmert sich wie eine Schwester um mich, wenn ich krank bin, fährt mich zum Krankenhaus, spricht mit mir über ihre Eheprobleme oder lästert einfach mal gern über ihren Chef. Auch meine Bindung zu meiner zweijährigen Gastschwester wächst von Tag zu Tag mehr. Sie geht seit dieser Woche in den Kindergarten – eine Sache, die uns für immer verbinden wird. Sie ist die kleine Schwester, die ich mir immer gewünscht habe, auch wenn es natürlich Zickereien gibt. In unserem Haus ist Besuch immer gern gesehen, sodass in den letzten 3 Monaten eine 16jährige Cousine mit uns zusammen gewohnt hat. Auch diese Erfahrung prägt mein Jahr hier, genauso wie die Arbeit, die durchfeierten Wochenenden mit den Freiwilligen oder die gemütlichen Kerzenschein-Rotwein-Abende mit meinen Gasteltern, wenn mal wieder der Strom ausfällt.
Dadurch, dass ich als komplettes Familienmitglied angesehen werde, beschwere ich mich mittlerweile über Verhaltensweisen oder Äußerungen, die mir, trotz viel Toleranz, „gegen den Strich“ gehen. Wir arbeiten als FAMILIE an der Bewältigung der Probleme, versuchen, die Ideen aller mit einzubringen und somit Kompromisse einzugehen. Ja, ich fühle mich wohl und ich möchte nichts an meiner Gastsituation hier ändern. Ich bin mittlerweile etwas mosambikanischer, meine Gastfamilie in einigen Situationen sogar schon europäischer geprägt, als in meinen ersten Monaten hier. Man lernt, die Probleme der anderen wirklich zu verstehen.


Meine Wahrnehmung zu meinem Gastland hat sich wieder um 180° gedreht. Ich liebe es hier, kann es mir wie gesagt kaum vorstellen, eines Tages wieder nach Deutschland zurück zu kehren. Und doch komme ich zurück, denn ich muss hier einen klaren Abschluss finden. Ich weiß, dass ich hier Freunde, aber vor allem eine Familie gefunden habe, mit der ich dennoch in Kontakt bleiben werde, wenn ich wieder in meiner Heimat bin – oder zumindest in der einen Hälfte meiner Heimat. Eine Seite meines Herzens wird immer an Mosambik hängen, sich zurück sehnen und eines Tages wieder den Mut aufbringen, zurück zu kehren. Ich möchte an meinem Leben hier nicht mehr viel ändern: Ich habe endlich begonnen, regelmäßig zu tanzen, finde dadurch immer mehr Freunde. Ich liebe es, allein zu reisen, mir für mich selbst Zeit zu nehmen und kleine, wunderbare Ecken dieses kleinen Fleckchens Erde zu entdecken. Es ist erstaunlich, wie sehr mich dieses Land in seinen Bann gezogen hat und was es mich innerhalb dieses Jahres schon gelehrt hat und noch lehren wird. Ich bin stolz auf mich selbst, die ein oder andere schlimme Heimwehattacke oder genervte kranke Tage überstanden zu haben. Ein schlechter Tag in Mosambik ist nun mal auch nichts anderes mehr als ein schlechter Tag in Deutschland. Und so sollte es doch eigentlich sein.




Ich hoffe, euch hat der Eintrag gefallen. Der nächste kommt schon bald, denn es wird hoffentlich Neuigkeiten vom Projekt geben. Ab nächster Woche fange ich endlich wieder richtig an zu arbeiten und bin dann hoffentlich wieder komplett fit. Dieses ständige krank sein schwächt mich und meine Motivation, aber ich hoffe, dass ich mit Hannah zusammen einiges angehen kann. Seit also gespannt!!
Eure Anni :)