Von August 2014 bis Juli 2015 habe ich in Mosambik gelebt und gearbeitet. Auf diesen Seiten werde ich von einige Eindrücke und Erfahrungen von meinem Freiwilligendienst in Maputo, der Hauptstadt, berichten. Bitte bedenkt, dass lediglich meine persönliche Sicht auf die Dinge hier zu lesen sein wird und dies nicht zu verallgemeinern ist! Es freut mich, dass ihr hier her gefunden habt!

Dienstag, 30. September 2014

Monatsbericht September.

Teil 1 – Zwischen Sonne und Regen leuchtet irgendwo der bunte Regenbogen!

Hallo ihr Lieben,

nun sind es schon zwei Monate hier in Mosambik. Zwei Monate mit vielen Hochs und Tiefs, mit hässlichen Ecken und schön polierten Kanten. Das Leben hier in Mosambik ist abwechslungsreich, jeden Tag gibt es noch immer Kleinigkeiten, die einen neu erfreuen, Neues, was man lernen oder einfach akzeptieren muss und immer wieder Neues, das einen zum Strahlen bringt. Vielfalt steckt wohl immer in einem solchen Lebensabschnitt, wenn man sich dazu entscheidet, ein Jahr in einem anderen Land zu verbringen. Es gibt nicht nur immer Sonnenschein, denn wer den Regenbogen sehen will, muss auch den Regen ertragen. Und das meine ich hier wohl im wahrsten Sinne des Wortes (auch wenn die ersehnte Regenzeit immer noch nicht eingesetzt hat und das Land zur Zeit von drückender Dürre überzogen wird).
Würde es mir hier richtig gut gehen, sodass ich schon jetzt nicht mehr nach Hause möchte, würde ich diesen Eintrag nicht mit solchen Worten einleiten. Doch leider muss ich euch mitteilen, dass ich hier noch nicht angekommen bin. Klar, irgendwie schon – auch manche Ecken habe ich mir mittlerweile schön poliert – aber dennoch sind die letzten zwei Monate nicht so verlaufen, wie erhofft. Ich habe mich nicht in das Land, Mosambik, verliebt. Ich habe eine geteilte Meinung über die Leute hier. Ich bin in meinem Projekt nicht angekommen, fühle mich meist nicht so richtig gebraucht. Es tut mir leid, wenn ich mit diesem Eintrag vielleicht enttäusche, aber ich möchte euch meinen Aufenthalt hier nicht verschönigen, sondern so realistisch wie möglich berichten.
Jetzt denkt bitte nicht, dass ich mich nächste Woche in den Flieger setze und wieder zurück nach Deutschland fliege, aber dennoch gibt es eben Tage, an denen ich genau mit diesem Gedanke aufwache oder einschlafe. Auch wenn ich nicht mehr genau weiß, was für Erwartungen ich an dieses Jahr in Mosambik gestellt habe, so weiß ich sicher, dass sie sich bis zum heutigen Zeitpunkt nicht erfüllt haben. Ich wollte mich wohler fühlen, wollte meine Rolle im Projekt kennen und mir hier einen richtigen Alltag aufgebaut haben. Ich weiß, dass das mit Sicherheit zu einem Großteil auch an mir selbst liegt, und nicht nur am Land, an den Leuten, an der Organisation oder weiß ich was. Ich habe die letzten Wochen an mich vorbei ziehen lassen und bin langsam an dem Punkt angelangt, an dem es mir reicht. Morgen werde ich mit ein paar anderen Freiwilligen tanzen gehen, vielleicht ein kleiner, womöglich aber ein riesiger, wenn nicht sogar DER Schritt für mich, hier endlich anzukommen. Maputo ist laut, voll von Mensch,... Ihr kennt ja meine Meinung über diese Stadt.
So langsam gehe ich jetzt mal in einen richtigen Bericht über... Letzte Woche Donnerstag hieß es hier: Feiertag! (Fragt mich aber bitte nicht, welcher Feiertag es genau war...) Freitag durften wir uns frei nehmen und so sind einige von uns über das lange Wochenende von Donnerstag bis Samstag nach Bilene gefahren. Andere waren das gesamte Wochenende in Xai Xai, was nochmal etwas nördlicher liegt. Es war ein entspanntes Wochenende, an türkisblauem Wasser. Ich habe mich hier von meinen Dreadlocks getrennt (na gut, eine hab' ich noch, aber wohl eher wegen der Schmerzen, die man nicht so leicht aushält), lange Gespräche mit den anderen Freiwilligen geführt und auch bei einigen von ihnen rausgehört, dass es ihnen genauso geht, wie mir: „Ich bin hier noch nicht angekommen.“ Es gibt bei einigen Tage, an denen wir das Geld annehmen würden, wenn es uns jemand für den Rückflug anbietet. Ein komisches, irgendwie doofes Gefühl. Dafür war ein kleiner Moment am Wochenende für mich dann umso schöner: Am Sonntag haben wir, nachdem ich bei mir zu Hause viel kochen durfte, in unserer Stadtwohnung eine Überraschungsparty für die Finnin in unserer Runde geschmissen. Sie wurde am Montag 25, sodass wir den Sonntag zum rein- und „vorfeiern“ nutzten. Sie hat sich so sehr über unsere Überraschung gefreut, da sie schon traurig war, dass wir am Montag alle nichts unternehmen könnten,... An diesem Tag habe ich mich in unserer Wohnung und mit den anderen Freiwilligen so unheimlich wohl gefühlt, wie schon lange hier nicht mehr. Wir haben zuletzt mit insgesamt zehn Leuten in der Wohnung geschlafen, was sehr „kuschlig“ war. Und obwohl ich auf dem Boden lag, bin ich dennoch mit einem Lächeln eingeschlafen. Komisch, dass solche Momente einem ein Wohlfühlgefühl geben, aber allein Emmis Strahlen, als wir sie um 12 Uhr noch mit einem Kuchen überraschten, gab mir das Gefühl, hier eine eigene, kleine Familie zu haben. Es ist schön, die anderen um sich zu wissen, aber jetzt will ich langsam auch allein hier klar kommen. Vielleicht ist es genau deshalb auch gar nicht so verkehrt, dass ich ab morgen alleine bei REMAR arbeiten werde. Heute haben die Kinder und ich anlässlich Annas letzten Tags im Projekt eine kleine Überraschung gemacht: Ich habe Luftballons mitgebracht, mich in ein Zimmer zurück gezogen als auf einmal ein paar der Mädchen reinkamen und mir helfen und die Ballons beschriften wollten. Sie schrieben Sätze wie „Adeus, Tia Anna!“ oder „Deus vai contigo.“ (Gott geht mit dir). Es war eine schöne Überraschung und ich hoffe, dass die Kinder sie vermissen werden. Gleichzeitig wünsche ich mir aber auch, dass meine Beziehung zu den Kindern in der nächsten Zeit etwas wachsen wird. Die Kinder sind Zucker und ich liebe „fast“ jedes Einzelne von ihnen (es gibt ja überall Ausnahmen^^)! Aber dennoch erfüllt mich das Projekt nicht so, wie ich es erhofft habe. Ich wünsche mir, in den folgenden Wochen meinen Platz zu finden oder ihn zumindest etwas genauer zu definieren. Ich weiß, ich bin nicht gut im Beschreiben von Dingen, sodass man es auf Anhieb versteht, aber dennoch hoffe ich, ihr habt ein kleines Bild von meinen Gefühlen hier im Projekt.

Das soll es fürs erste hier wohl gewesen sein. Bis dahin fühlt euch alle gedrückt und geknuddelt. Ihr fehlt mir sehr, meine Lieben!


Eure Anni :)

Der Blick in Bilene aus unseren kleinen Chalets :)

Clara beim rauskämmen meiner ersten Dreadlock... Aua!

Dehnung beim Warten aufs Chapa: Christopher (Schweden), ich und Lion (Deutschland).

Emmi (Finnland) beim Anschneiden ihres Geburtstagskuchens :)

Teil 2 - Ein Nachtrag, der euch glücklich machen wird.
(Der zweite Versuch, weil das Internet ja nie so mitspielen kann, wie man will...)

So, nochmal das Ganze, in der Hoffnung, dass ich noch alles zusammen bekomme!
Gleich zu Beginn möchte ich mich irgendwie für den ersten Teil dieses Eintrages entschuldigen. Besonders meinen Eltern habe ich damit anscheinend etwas geschockt. Das wollte ich natürlich nicht, aber wie ich oben bereits geschrieben habe, möchte ich euch keine Märchen erzählen oder das Paradies vorschwärmen. Ich hoffe, ihr könnt das verstehen.
Jetzt zum eigentlichen Anlass, warum ich schon zwei Tage später meinen Monatsbericht um einen Teil erweitere: Das Tanzen gestern war DIE Rettung! Auch wenn es erst eine Einheit war, weiß ich dennoch, das genau das mir so sehr gefehlt hat! Ich glaube, es ist nicht mal unbedingt das Tanzen an sich, sondern einfach das Wissen über den Fakt, dass ich ab sofort an drei Abenden in der Woche einem meiner liebsten Hobbys auch hier weit entfernt von zu Hause und meiner alten Tanzgruppe nachgehen werde. Und dann auch noch mit anderen Leuten, die mir in den letzten Monaten sehr ans Herz gewachsen sind. Für umgerechnet 15€ im Monat darf ich jetzt Dienstag, Mittwoch und Freitag zum Tanzen - oder doch eher Fitness. Es sind fast alles Anfänger und so müssen wir erstmal in die mosambikanische Kunst des Hüftschwungs, der Rückenbeugung und des Fühlens komischer Muskeln in den Armen rangeführt werden. Ich war schon lange nicht mehr so gelaunt wie gestern nach den 1 1/2 Stunden Training :)
Kleiner, aber dennoch nicht ganz so großer Themawechsel: Warum habe ich denn eigentlich das Gefühl, hier nicht so angekommen bin? Vielleicht sollte ich das nach dem letzten Eintrag mal etwas genauer versuchen, zu erklären. Wir als Freiwillige des ICJA/ICYE haben das große Glück, viele andere Menschen zu kennen, die ihren Freiwilligendienst in der ganzen Welt absolvieren. Viele von ihnen schreiben wie ich einen Blog während ihres Aufenthaltes. Wenn man sich  einmal darin verloren hat, kann man gar nicht mehr aufhören zu lesen, das verspreche ich euch! Doch genau darin liegt vielleicht auch das Problem: So viele schreiben von so wundervollen Erfahrungen die sie machen, Menschen, die sie kennen lernen und Dingen, die sie faszinieren. Egal ob in Nicaragua, Neuseeland, Bolivien, Taiwan oder England. Überall auf der Welt schreiben junge Erwachsene über ihre Erlebnisse, die mich hier in Mosambik schon ab und an neidisch werden lassen. Ja klar, jetzt denkt ihr euch bestimmt: "Ach Anni, komm, beschwer dich nicht, du bist in MOSAMBIK!". Aber naja, so leicht ist das nicht. Vielleicht wird das auch nicht jeder nachvollziehen können, doch manchmal kommt es mir so vor, als wäre ich erst 2 Wochen hier, als hätte ich noch gar nicht so viel Zeit gehabt, so richtig viel Unglaubliches zu erleben. Auf der anderen Seite hat mich der "langweilig ruhige" Alltag hier schon so gepackt, dass ich denke, ich wäre schon mindestens 4 Monate in diesem Land. Doch irgendwo dazwischen, da bin ich jetzt. Umso schöner ist es für mich, dass ich in den letzten Tagen durch das Tanzen, den irgendwie neu entfachten "Zusammenhalt" zwischen uns Freiwilligen und die allgemeine Situation hier (es sind so viele Kleinigkeiten, die da mit reinspielen und die ich hiermit zusammenfassen will) endlich wieder besser drauf bin. Auch wenn der letzte, etwas negative Eintrag erst ca. 50 Stunden her ist... Ja, so schnell ändern sich Dinge, weshalb ich mich mit dem täglichen Blog-schreiben wohl doch sehr zurückhalte. Ich glaube, manche wären von meinen wechselnden Gefühlen etwas überrumpelt... 

Morgen haben wir also wieder Tanztraining, dann geht es in die Stadtwohnung und am Samstag wurde ich von meinen Gasteltern zu irgendeinem Familienbrunch eingeladen. Worum es sich genau handelt, habe ich allerdings noch nicht so genau verstanden, da mein Portugiesisch zur Zeit irgendwo zwischen "Du kannst noch gar nicht sprechen." (meine Gasteltern) und "Mensch, nach zwei Monaten ist das schon richtig gut!" (Leute, mit denen man im Chapa spricht) liegen mag. Der nächste und somit abschließende Teil des Monatsberichts kommt also mit Sicherheit am Sonntag.

Ich weiß, dass ich mit Sicherheit einen Punkt in diesem Beitrag vergessen habe, nur will er mir jetzt nicht mehr einfallen...
Was ich euch deshalb ganz ganz dringend ans Herz legen möchte: Bitte fragt mich ganz viel, meinetwegen auch über Kleinigkeiten. Gern auch allgemeine Sachen, die ich hier dann für alle auf dem Blog posten kann. Gern werde ich auch eine extra Seite dazu anlegen (Ja, keine schlechte Idee...).

Damit möchte ich für heute abschließen und euch gern noch ein paar Blogs von anderen Freiwilligen ans Herz legen. Aber schaut einfach selber mal, was euch interessiert! :)

Katharina in Quito (Ecuador)

Das soll erst einmal reichen, auf vielen Blogs findet ihr immer noch Blogs von anderen Freiwilligen.

Eure Anni :)



Teil 3 - „Mögen dich alle Elefanten beschützen.“ (Papa)

In den letzten Tagen habe ich mir immer wieder eine kleine Notiz gemacht, wenn ich durch Maputos Straßen gefahren bin und mir etwas aufgefallen ist, wovon ich noch nicht ausführlich genug berichtet habe. Hier nun diese kleinen Eindrücke.

Straßenstände
Natürlich gibt es in Mosambik ganz normale Supermärkte, wie Shoprite oder auch Inter- und Superspar. Dennoch zeichnen die Straßenstände Maputos Stadtbild prägend: Überall kann man alles kaufen, was einem beliebt. Von Saisonobst über Unterwäsche bis hin zu Ohrenstäbchen und Warndreiecken. An jeder Ecke findet man einen kleinen Shop oder eben die so klischeehaften Holzstände. Hier kann man handeln, lachen, nette Gespräche führen. Nach zwei Monaten suche ich nicht mehr den nächst größten Supermarkt sondern frage auf der Straße nach, wie teuer der Apfel an dem einen und die Zahnpasta am nächsten Stand ist.

Wasser
Noch immer trinke ich nur selten das Leitungswasser Maputos. Es schmeckt oft Chlorhaltig, oder auch einfach nur dreckig. Auch, wenn meine Gastmutter es abkocht. Das geschieht mit gefühlt 10 Litern Wasser am Tag, für Tee oder eben einfach als normales Trinkwasser. Auch für eine heiße Dusche wird der Gasherd angemacht und ein großer Topf Wasser gekocht, den ich mir später Hälfte Hälfte in einem 10 Liter Eimer mischen kann. Ist die Gasflasche vom vielen Kochen nach 2-3 Wochen leer (je nachdem, wie verschwenderisch die Tia den Gasherd benutzt), so muss an diesem Abend der Grill herhalten. Dann gibt es meistens Hühnchen, oder Fisch. Lecker ist das schon. Könnt ihr euch vorstellen, kein fließend heißes Wasser aus der Leitung und keine Wasserkocher zu haben? Ich genieße mittlerweile meine kalte Dusche am Morgen, weil es mir die 10 Minuten mehr Schlaf eindeutig Wert sind!

Mosambikanisches Essen
Als typisches mosambikanisches Essen kann ich bis dato nur recht wenig nennen, denn ich will nicht behaupten, längst alles zu kennen. Zumal ist dieses Land so riesig, dass es in jeder Provinz spezielle Köstlichkeiten geben mag. Was hier beinahe jeden Tag auf dem Tisch landet sind Xima und Reis (bei uns Kokosreis à la Mama Gledice), dazu Feijoadas (Bohnen), Frango (Hühnchen) oder etwas Spinat-ähnliches, dessen Namen wir alle immer wieder vergessen. Das schiebe ich später bestimmt mal nach! Auf der Straße bekommt man für umgerechnet 25ct ein „Pao com badjias“ - Brot mit frittiertem Bohnenmus, würde ich jetzt mal sagen. Neben dem guten Preis macht dieses Essen einfach noch richtig satt. Nicht umsonst wird es hier ab und an als „Essen der Armen“ bezeichnet.

Refrescos – Kaltgetränke
Falls ihr denkt, ich trinke hier nur Wasser und Kokosmilch, so habt ihr euch gewaltig getäuscht. In Mosambik findet ein so gewaltiger Umsatz der Coca Cola Company statt, den man sich nicht vorstellen kann. Eine kleine Glasflasche kostet 15mt, ca. 38ct, eine Dose 25mt, 63ct. Auch Saft stellt diese Firma her, der an manchen Tagen einfach wahnsinnig gut tut. Jeden Morgen, wenn ich auf dem Weg nach Liberdade bin, fahre ich die (übersetzt) Industriestraße entlang. An meiner Endstation befinden sich zahlreiche Barracas (Kneipen), Straßenhändler und Pastelarias (Bäckereien, Imbiss,... - irgendwie alles in einem). Sie werden mit mehreren riesigen Trucks der benannten Company bedient. Die Refrescos erfrischen mich wirklich jeden Tag, jedoch ist zum Beispiel die Fanta hier viel süßer und auch die Cola schmeckt mir zumindest nicht ganz so gut. Wahnsinn, wenn man die Preise mit denen Deutschlands vergleicht …

Chapalego
In Mosambik herrscht das Gesetz: Solange mein Chapa fährt, fährt es. Umso mehr Ersatzteile es trägt, umso schöner ist es. Nicht so, wie ich es auf anderen Blogs lese, wo es um die Schönheit (in Sachen Farbe,...) geht. Hier geht es auch nicht mehr um Sicherheit, sondern um reines Geld. So wenig wie möglich für einen fahrbaren, geldbringen Untersatz ausgeben und dann ab auf die Straße damit – stürzen wir uns ins Verderben. Nein, ganz so schlimm ist es natürlich nicht, aber dennoch würde jeder Mitarbeiter des TÜVS hier am liebsten jedes Chapa von der Straße räumen.

Tradition gegen Hits
Mosambiks Musikgeschmack ist bunt. Mit angolanischem Einfluss erobern die portugiesisch sprachigen Sänger die Herzen der Jugendlichen hier. Dagegen stehen aber auch Bruno Mars oder Beyonce. Auf einem MyLove, bepackt mit riesigen Gemüsetaschen, sitzen Frauen in Capulana, singen auf Changana ihre traditionellen Lieder. Wenn man in ein Chapa steigt, weiß man nie, welche Musik einen erwartet. Dennoch war es bisher immer eine POSITIVE Überraschung!

Armes Land, teures Leben?
Mosambik ist in vielen Hinsichten ein Land voller Gegensätze, zumindest soweit, wie ich es bisher kennengelernt habe. Durch viele Gespräche mit meinen Gasteltern, Freunden oder einfach Fremden komme ich oft aber immer wieder auf ein Thema: Geld. „Mosambik ist das fünft ärmste Land der Welt.“ - ein Fakt, den ich hier nicht so sehr bestätigt offen sehen kann, wie ich es erwartet hatte. Das Leben ist dagegen wahnsinnig teuer. Hier gibt es kein Kindergeld, nicht viel Urlaub, man muss laut Gledice für jede Kleinigkeit viel zu viel Geld bezahlen. „Wie, und ihr bekommt Geld, wenn ihr Kinder macht?“ erkundigt sich Nercio. Ich bejahe und bekomme mit den Worten „Wenn wir auch nur einen Cent wieder sehen würden.“ meine schon fast erwartete Antwort. Seitdem ich diese Gespräche hier führe, laufe ich an manchen Tagen mit anderen Augen durch die Straßen Maputos. Immerhin habe auch ich knapp 500€ für mein Visum bezahlen dürfen, was ich bis heute nicht in der Hand halte …

Portugiesisch für Anfänger
Ich kümmere mich im Projekt hauptsächlich um die Kleinsten, habe eine zwei-jährige Gastschwester. Kein Wunder also, dass diese süßen Kleinen sich noch nicht so ausdrücken können, wie sie es gerne wollen, und erwarten natürlich eine „gute Schule“, um die Landessprache Portugiesisch zu lernen. Leider stelle ich immer wieder fest, dass ich an genau der selben Stelle stehe, wie meine Süßen und plötzlich fühle ich mich wieder wie als Kleinkind. Damals, als Mama mich noch beim Wort „Luffdabomm“ korrigieren musste … Wie soll ich ihnen jemals das richtige Sprechen beibringen?!

Geschwindigkeit und Alkohol
Laut meinem Gastvater Nercio wäre es ein Unding, wenn ein Chapafahrer betrunken die Leute hin und her fährt. Leider ist das aber vor allem Freitags Realität und mittlerweile – Normalität. Bisher bin ich immer sicher an mein Ziel gekommen. Doch auch Nercio selbst hält sich nicht so ganz an seine Vorsätze. So kann es schon einmal sein, dass er nach 5 oder mehr Cerveijas (Bier) seine Familie nach Hause bringt … Erstaunlicherweise bemerkt man nur recht selten, dass er doch schon etwas mehr Alkohol im Blut hat.
Auf den meisten Straßen, auf denen wir uns hier mit den Chapas bewegen, gelten für uns ungewohnte Geschwindigkeitsbegrenzungen: 60 auf der EN4, so ähnlich wie bei uns die B1 (also Bundesstraße – Wie schnell fahrt ihr da nochmal? 100Km/h?). Kein Wunder also, wenn eine Strecke von 150km schon mal 4 Stunden oder länger dauern kann (etliche Polizeikontrollen inbegriffen). Wenn denn mal das Tacho eines Chapas funktioniert, habe ich bisher noch nicht mehr als 85km/h darauf ablesen können …

Alltägliche „Wunderheiten“
Ist euch schon mal aufgefallen, dass ich hier in Mosambik nicht einfach hautfarbene Strumpfhosen kaufen könnte? Zumindest auf den ersten Gedanken, denn dann stößt man plötzlich auf den kontroversen Gedanken, dass es natürlich hautfarbene Strumpfhosen gibt – nur eben nicht überall, und nicht immer für Anni. Den selben Gedanken findet man beim Thema Make Up … (Keine weiteren Ausführungen, da ich eventuell auftretende minimal rassistische Formulierungen vermeiden möchte.)

Made in China“
Wer häte es für möglich gehalten, aber auch hier kommt man nicht um sie herum. Vor allem der Straßenbau wird von chinesischen Unternehmen betrieben. Oft sieht man am Straßenrand asiatische Gesichter in Anzügen. Und gleich daneben eine große Werbung: „Quality at its best!“
Jeder mag sich auch hier seine eigenen Gedanken zum Klischeedenken machen.

Eine etwas längere, andere Geschichte

Ich wache auf, es ist Samstag morgen, 8:00 Uhr. Mein Wecker hat mich aus meinem schlechten Schlaf gerissen. Ich bin in der Stadtwohnung, liege zusammen mit Anna und Clara auf einer Matratze und verspüre keine Drang, aufzustehen. Nach einiger Zeit wird mir wieder bewusst, warum ich aufstehen muss: Nercio und Gledice wollen mit mir zu einer Festa gehen. Sie holen mich ab, wenn sie aus der Kirche zurück kommen. „Wir sind von 8:00 bis 12:00 Uhr dort. Wir wissen, dass du nicht mitkommen willst.“, haben sie gesagt, als sie mich am Donnerstag einluden. 4 Stunden Gottesdienst und das an einem Samstag? Wirklich, da kann etwas nicht stimmen. Also mache ich mich gegen 9:00 Uhr auf den Weg, betrete um 10:00 Uhr das Haus und habe das ungute Gefühl, dass sie definitiv NICHT um kurz nach 12 hier sein werden, um mich und meine Schwester Aillen zu holen. Dennoch gehe ich schnell duschen, Haare waschen ist erst morgen wieder dran, auch wenn sie durchaus schon heute gewaschen werden könnten. Egal, sie meinten, die Party würde draußen stattfinden. So richtig verstanden habe ich nicht, was das für eine Feier werden soll, aber es hat etwas mit Gott auf sich. „Du wirst es dann verstehen.“ - „Na gut“. Aillen wird von unserer neuen Tia Louisa gewaschen und anschließend in ein sehr hübsches neues Kleid gesteckt. Ich wundere mich, ziehe meine Jeans an, die ich eigentlich waschen wollte, und eine weiße Bluse. Eine Strickjacke und einen Schal gegen die Kälte am Abend – ja, das sollte gehen. Einen Dresscode kenne ich bis dato nicht. Als Gledice und Nercio schließlich um 14:45 Uhr ins Haus stürmen, traue ich meinen Augen kaum. Nercio wahnsinnig ordentlich mit Anzug, Hemd, Krawatte und Lederschuhen, Gledice im Capulana-Kostüm und mit High Heels, auf denen ich nicht laufen könnte. Im Schlepptau haben sie einen Jugendlichen, Kelvin, wie ich später erfahre. Er setzt sich ins Wohnzimmer, schaut fern. Auch er trägt zumindest eine Anzughose, ein Hemd mit Fliege sowie Lederschuhe. Er sagt nicht „Boa Tarde“. Donna Louisa rennt hastig durch die Küche, während ich überlege, wie ich mein Outfit anpassen könnte. Kleid? Definitiv nein, viel zu kalt am Abend! Irgendwas, wozu ich Turnschuhe anziehen kann, denn hübsche Schuhe habe ich hier leider nicht und Chinelos (Flip Flops)? Lieber nicht... Ich entscheide mich letztendlich für meine frisch gewaschene schwarze Jeans, die mir eigentlich etwas eng am Bauch geworden ist, lasse meine Bluse an und wechsle die Strickjacke mit meinem Blazer. Auch der Schal wird gegen ein eleganteres Tuch getauscht. Schnell noch die saubersten Schuhe an und – besser geht es eben nicht. Nercio sieht meine Schuhe, findet sie viel zu dreckig und bittet mich, sie sauber zu schrubben, bis sie wieder weiß sind. Na gut, dann mach ich das mal. Ich komme in den kleinen Essflur, wo Aillen, Kelvin und Nercio sitzen und mosambikanisches Gebäck essen. Herzhaftes, wie ich wenige Augenblicke später mitbekomme. Köstlich! Gledice wuselt noch immer im Haus herum, sucht warme Jacken und Decken zusammen. Langsam frage ich mich immer mehr, ob ich „underdressed“ bin. Gegen 15:30 Uhr sitzen wir im Auto, mit dem wir ca. eine Stunde Richtung Matola fahren. Kelvin ruft jemanden an und fragt nach dem genauen Weg, seine Mutter, wie ich raushören kann. Wir fragen uns zur Feierlokalität „1001 Festas“ durch und eerreichen das paradiesische Gelände nach ca. 20 Minuten Sandstraße. 2 Pools, Sonnenliegen, Buffet, eine Bar, ein DJ, 3 große, runde Tische, schön gedeckt. Im Pool sind viele Kinder, wenige Erwachsene kommen auf uns zu und begrüßen uns. Meine Gasteltern werden als „Padres de Kelvin“ (Gottes-Eltern) vorgestellt. So langsam dämmert es mir, dass die Party für den Jugendlichen ist, der eben im Auto neben mir noch eingeschlafen ist. Wir warten noch 5 Minuten, bis Nercio alle bis dahin anwesenden Person zu sich holt und die Festa eröffnet. Er redet über Gott, über die Jugend und über – Confirmacao. Ich bin also auf der Konfirmation von Kelvin gelandet, ohne es bewusst zu wissen. Und meine Gasteltern sind so etwas wie seine Paten. In diesem Moment wird mir klar, WIE wenig ich über Kirche bzw. Religion überhaupt weiß. Leider, wie ich in den nächsten Stunden fühlen werde. Nachdem Nercio gesprochen hat, bittet er Gledice, nun zu singen. Sie fängt an, das Halleluhja zu singen und läd die Gäste dazu ein, mitzumachen. Mit dieser Ansprache wird gleichzeitig das Buffet eröffnet, von dem ich mich etwas später bediene: Kartoffelsalat, Pommes, Hühnchen und Salat landen auf meinem Teller. Eigentlich gibt es noch so viele andere leckere, kulinarischere Sachen, aber erst das Sichere. Später habe ich bestimmt noch Hunger. Einige Minuten später sitze ich voll gefuttert auf meinem Stuhl, trinke ein Glas Wein und erinnere mich ein mal mehr daran, wie sehr nur ein Teller mosambikanischen Essens schon stopfen kann. Die nächsten zwei Stunden vergehen, ich sitze am Tisch, schreibe etwas mit Freunden und unterhalte mich gelegentlich. Ich frage nach der Toilette und werde von zwei netten Frauen, ca. Mitte/Ende 20 begleitet. Sie warten draußen auf mich um anschließend mit mir Fotos zu machen. Selma und Suzy geben mir ihre Nummer und versprechen mir, sich am Abend um mich zu kümmern. Ich kann mich gut mit ihnen unterhalten. Kurze Zeit später wird die mittlerweile angewachsene Feiergesellschaft wiederholt zusammengerufen und das zuvor beschrieben ähnlich wiederholt. Jetzt wird jedoch das Tortenbuffet eröffnet. Es gibt drei. Riesige Torten. Viel Schokolade. Noch mehr Creme. Am meisten Verzierungen. Torten, die man sich auf einer Feier in Deutschland nicht vorstellen kann. Dazu gibt es für jeden Gast ein Glas Champagner, es wird angestoßen – und zwar wirklich jeder mit jedem. Das gehört sich hier so. Zwischendurch trinken ist aber auch erlaubt. Eine Frau aus der Menge erhebt die Stimme, sie singt, tanzt, hat vermutlich etwas mehr Wein getrunken als ich. Alle lachen, singen mit ihr. Es ist eine amüsante Atmosphäre. Im Verlaufe der nächsten Stunden schwirre ich zwischen Suzy und Selma, meinem Tisch, dem Pool und der Toilette hin und her. Mal tanze ich mit Aillen, mal unterhalte ich mich über die deutsche Fußballnationalmannschaft. „Alemanha é o Champeao do mundo!“. Diesen Satz höre ich nicht zum ersten Mal, seitdem ich hier in Mosambik lebe. Gegen 22:30 Uhr verabschieden wir uns von Kelvin und seiner Familie. Ob ich Pläne für morgen hätte, fragt mich seine Mutter und ich verneine. Gledice ist anderer Meinung und antwortet: „Natürlich. Sie kommt mit in die Kirche. Morgen gehen wir alle in die Kirche.“ Auf dem Heimweg frage ich, wann wir am nächsten Tag aufstehen müssen. 7:00 Uhr. Das sind … noch 6 Stunden Schlaf. Maximal. Na gut, irgendwann wolltest du sowieso mal mit Gledice in die Kirche gehen. Ich schlafe gegen 1:00 Uhr ein, mir bleiben 5 Stunden. Gegen 6:15 Uhr klopft Nercio energisch an meine Zimmertür, ich krieche aus meinem Bett, stelle mich unter die kalte Dusche und lasse mich vom eiskalten Wasser wecken. Zum Haare waschen ist auch jetzt zu wenig Zeit, zumal ich auch keinen Föhn habe und es um die Uhrzeit eindeutig zu kalt ist, um mit nassen Haaren das Haus zu verlassen. Das geht schon so. Ich ziehe mich an, habe ich mir doch in Deutschland vorgenommen, wenn ich das erste Mal in die Kirche gehe, mein neues Kleid anzuziehen. Ein leichtes Sommerkleid, fast knielang, nicht sonderlich feierlich. Gledice trägt auch heute wieder ein Kleid aus Capulana-Stoff, einen Blazer und High Heels. Nercio betritt in Stoffhose, Hemd und wunderschönen Bastschuhen den Raum. Nein, ich ziehe mich heute nicht um. Das ist mein Kirchenkleid, ein anderes habe ich nicht und in Hosen darf ich als Frau hier nicht in die Kirche. Meinen Blazer ziehe ich mir auf Grund der Kälte dennoch über und packe meinen Schal in meine Handtasche. Wir fahren eine Weile in Richtung Stadt, bis wir schließlich vor einem Wohnblock stehen bleiben, aus dem Kelvin – im gestrigen Outfit – heraus tritt. Oh nein, noch mehr Confirmacao? Noch mehr „underdressed“? Ich freue mich, dass dieser Kirchenbesuch kein gewöhnlicher sein wird. Nach ca. 5 Minuten stehen wir vor der Kirche, die mich mit ihrer Größe und Helligkeit begeistert. Wir begleiten Kelvin zu seinen Freunden, schicke Herren, wahnsinnig aufgetakelte Mädchen in Glitzerkleider aber auch Jungs in Jeans und Poloshirt und Mädchen in Capulana-Röcken. Wir nehmen in der 5. Reihe Platz und es beginnt ein zweieinhalbstündiger Gottesdienst. Am Eingang kaufte mir Gledice ein Gesangsheft für die Feier, welches ich innerhalb der Zeremonie benötigen werde. Recht hat sie, denn beinahe alle 2 Minuten wird ein anderes Lied, entweder auf Portugiesisch oder Changana, gesungen. Nein, nicht et wa von einem Chor. Der Chor ist das Publikum. ALLE ca. 300 Gäste in der Kirche sowie die 60 Konfirmanden/dinnen singen gemeinsam, einstimmig, zweistimmig, was-weiß-ich-wie-viel-stimmig. Ich fühle mich wohl, ungewohnt wohl, wenn man bedenkt, dass ich in keiner Weise religiös groß geworden bin. Ab und an tanzen ältere Frauen durch die Reihen, auch kleinere Mädchen. Dahinter immer einige der Konfirmanden/innen, zu einem der letzten Lieder tanzen alle Jugendlichen. Auch Kelvin, der sich sichtlich unwohl, aber dennoch mit Gott verbunden fühlt. Während der Zeremonie bereue ich es öfter, meine Haare nicht doch gewaschen zu haben. Alle Anwesenden haben sich zurecht gemacht, die schönsten Kleider angezogen. Egal, nach der Zeremonie geht es nach Hause. Auch Aillen neben mir ist zappelig und schläft im nächsten Moment neben mir ein. Wie gern wäre ich in diesem Moment wieder ein Kind, was ohne Bedenken auf der Kirchenbank schlafen kann. Auch ich bin mittlerweile wieder wahnsinnig müde. Nach der Zeremonie darf ich noch ein paar Fotos von der Kirche machen, bis Nercio uns mit dem Auto empfängt. Wir bringen Kelvin nach Hause, steigen auch aus. Da habe ich wohl noch etwas verpasst. Wir gelangen in die Wohnung seiner Eltern, die uns zum Frühstück einladen. Es gibt Salat, Fleisch, Pommes, Brot, Chima, Tee und KAFFEE! Meine Rettung, denke ich. Auflöskaffee. Aussehen tut er schonmal gut. Dann mal kosten. Das, was ich schmecke, ist eindeutig noch kein Kaffee, aber auch kein Tee mehr. Mit zwei gehäuften Löffeln Zucker ist es irgendetwas dazwischen und schmeckt mir sogar sehr gut. Nach dem Frühstück setzen wir uns auf die Couch, schauen fern. Die Zeit vergeht, in der ich mir immer weniger wünsche, meine Haare endlich zu waschen. Die Müdigkeit überfällt mich, so dass ich einschlafe. Gefühlte Stunden, eigentlich nur 10 Minuten später, werde ich geweckt und zum Mittag gebeten. Ja, die Zeit verfliegt, denn es ist bereits 14:00 Uhr. Es gibt die Reste vom Buffet des vorherigen Abends. Dieses Mal versuche ich Fremdes und merke, wie mir langsam schlecht wird. Ein großer Schluck Sprite hilft in diesem Moment erfolgreich. Schon nach einer Suppe und einem halben Teller bin ich voll, trinke noch etwas und teile nach Nachfrage mit, dass ich satt bin. Die Mutter von Kelvin schaut mich entgeistert an. Ich erkläre ihr, dass ich in Deutschland maximal eine Mahlzeit am Tag warm esse, manchmal auch das Mittag ganz auslasse. Kopfschüttelnd nimmt sie es hin, versichert mir, dass sich das ändern wird, wenn ich nächstes Jahr nach Hause komme. Wir werden ja sehen, denke ich, und flüchte auf Toilette. So ganz weg ist meine Übelkeit noch nicht. Gegen 16:00 Uhr machen wir uns auf den Heimweg, bekommen jeweils ¼ jedes Kuchens vom Vorabend als Geschenk mit. Ich freue mich auf mein Bett, weiß aber eigentlich von meinen Gasteltern, dass heute noch ein Geburtstag ansteht. Im Auto wird mir die erlösende Frage gestellt. „Willst du zu Hause bleiben oder noch mitkommen“ - „Ich möchte bleiben, schlafen. Nur schlafen“ antworte ich bereits im Halbschlaf. Gledice guckt mich neidisch an. Auch sie würde mit Sicherheit gern ins Bett. Und jetzt liege ich hier, möchte euch erst von diesem verrückten Wochenende berichten und hoffe, ihr könnt meine Perplexität aus diesem Bericht rauslesen. Manchmal ergeben sich Situationen, die man nicht erahnen konnte und schon ist man in Mitten der wichtigsten Zeremonie im Leben eines Jungen Katholiken. Eine schöne Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Sie ist jetzt Teil meines Lebens hier und hat mich glücklich gemacht. Danke, Gledice und Nercio. Ihr seid Familie, hier bin ich zu Hause.

Eure Anni :)


Kelvin und meine Schwester Aillen

Anni und Aillen - Schwestern fürs Leben!



Eine stille Anmerkung

Als ich am besagten Samstag am Abend am Tisch saß und mich durch die aktuellsten Neuigkeiten auf Facebook las, stieß ich auf eine Erschreckende, Traurige, der ich hier in diesem Eintrag ein paar Zeilen widmen möchte:

Paul, ich hatte nie persönlich mit dir zu tun, aber dennoch berührt mich dein Tod hier in Mosambik so sehr. Als ich heute morgen in der Kirche auf der Kirchenbank hockte und der Musik lauschte, kam mir dein plötzlicher Abschied in den Kopf. Ich habe deine Musik immer gern gehört, mochte die Worte, die du dafür gewählt hast. Ich habe mir so gern eure Berichte aus Neuseeland durchgelesen. Und manchmal geht es so schnell. So schnell, dass mir an diesem Wochenende bewusst geworden ist, wie kostbar das Leben ist. Wie kostbar alles ist, was ich hier erlebe, egal ob positiv oder negativ. Dass jeder einzelne wahre Freund kostbar ist, ebenso wie die Familie. Alle, die diesen Zeilen hier unten noch lesen, sollten sich genau das jeden Tag vor Augen halten. Das Leben kann so schnell vorbei sein.
Ich kannte dich kaum, und mache mir so meine Gedanken. Ich möchte auf diesem Wege allen Angehörigen und wahren Freunden viel Kraft für die kommende Zeit geben und mein Beileid aussprechen.
Ich habe dir heute im tiefsten Innern meinen Besuch in der Kirche geschenkt, auch wenn ich nie religiös war und wir nie Freunde waren. Ich trage hier immer Schmuck mit Elefanten und habe eine kleine Tradition entstehen lassen: Mindestens einmal am Tag einen Elefanten küssen. Und das tue ich, auch heute. Ich gebe dir die folgenden Worte meines Papas mit auf den Weg:

„Mögen dich alle Elefanten beschützen.“


Wo auch immer du jetzt bist – Ruhe in Frieden.

Sonntag, 21. September 2014

Übers Ende des Allein-Seins.


Vielleicht kannst du mal deine Sommersprossen
zu 'nem Pfeil verbinden,
und wenn du dem dann folgst,
dann wirst du dich schon finden.
[Julia Engelmann – Eckige Kugelfische]




Hallo ihr Lieben,

Es ist mal wieder Zeit zum Schreiben, zumindest finden das einige von euch. Ich allerdings fühle mich gar nicht in der Lage, so einen ausführlichen und schönen Beitrag zu schreiben, wie es die letzten vielleicht waren. Aber nun gut, ich schreibe ihn jetzt trotzdem mit dem Wissen, dass ihr euch eh über jedes Wort von mir freut ( Hahaha :P ).
Wie der Titel dieses Beitrags schon verrät, ist es seit gestern vorbei mit dem Allein-Sein. Meine Familie ist am Abend wieder in Maputo gelandet und kam hier mit so viel Gepäck an, dass ich nur dachte: „Wollt ihr das ganze Haus neu ausstatten?“. Wie dem auch sei hat sich besonders Gledice so sehr gefreut mich wiederzusehen, dass sie mich öfter sehr stark umarmen musste/wollte. Wir haben alle richtig herzlich und viel gelacht, als ihnen aufgefallen ist, dass ich noch lebe, ich nicht verhungert bin und das Haus noch steht – Ja, Anni hat alles auf die Reihe bekommen so ganz allein. Dann wurde erst ein mal ein bisschen erzählt, wie die letzten Tage bzw. Wochen waren und ich habe nur ein Wenig über ihren Urlaub fragen können. Dazu war die Zeit dann doch etwas knapp. So ganz nebenbei hatte nämlich noch mein Gastvater Nercio Geburtstag. Er ist gerade einmal 34 Jahre jung geworden. Aus diesem Grund war ich ab 7 Uhr morgens nach einer durchfeierten Nacht (ich habe mir gegen halb 4 ein Taxi aus der Stadt genommen) „hellwach“ und fing an, einen Apfelstreusselkuchen à la Mama zu backen. Das dauerte dann aufgrund meiner Müdigkeit länger als gedacht, und so schaffte ich es leider nicht mehr, noch ein kleines anderes Geschenk für Nercio zu kaufen. Ich war dennoch in der Stadt, um mich mit Marie, Yohanna und Sandra bei einem Freund zu treffen, bei dem die beiden zuletzt genannten eventuell wohnen könnten. Sie sind nicht glücklich mit ihrer derzeitigen Wohnsituation, aber dazu könnt ihr eventuell mehr auf ihren eigenen Blogs lesen (siehe linker Rand). Danach fuhr ich also nach Haus, mit dem Wissen, meine Familie würde gegen 5:45 pm in Maputo landen. Bis 20:30 Uhr durfte ich dann warten – anscheinend sind sie um die angegeben Uhrzeit erst in Nampula losgeflogen. So wurde aus einem eigentlich stressigen Tag ein recht entspannter und am Abend sogar ein etwas emotionaler: Als wir uns gegen 22:00 Uhr endlich an den Tisch saßen, durfte Nercio nicht sofort den Kuchen anschneiden. Erst musste eigentlich ich etwas zur Feier des Tages sagen, wusste allerdings nicht was, und ließ Gledice beginnen. Sie dankte ihrem Mann für das Glück, ihn zu haben, für ihr gemeinsames Kind, für die schönen vergangenen letzten Tage in Nampula und Umland. Sie wünschte ihm Gesundheit, ein langes Leben, Glück, Liebe und nochmals – ein langes Leben. Danach war es Nercio, der sprach. Erst auf Englisch, dann auf Portugiesisch. Er bedankte sich bei Gott, dass er ein Jahr älter geworden ist, machte mir deutlich, wie besonders allein das nur schon für ihn ist. Er bedankte sich bei mir für die Überraschung, dankte seiner Frau für die selben Sachen, die sie bereits gesagt hatte. Er bedauerte, dass er nur den Abend seines Geburtstags richtig zum „feiern“ hatte, da er sonst alle seine Freunde und die ganze Familie eingeladen hätte. Generell war er etwas bedrückt, so emotional, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Danach bedankte ich mich für die lieben Worte, habe ihm alles Gute, Gesundheit,... gewünscht und habe ihm auch von meinen Eltern gratuliert, die sehr glücklich sind, dass ich in einer solch tollen Familie leben darf. Auch von mir durften sie sich noch einmal anhören, wie glücklich ich bin, bei ihnen zu wohnen, worauf sie mit den selben Worten antworteten. Gledice benutzte dabei sogar das Wort „filha“ (Tochter). Auch wenn das nur ein ganz kleiner Augenblick war, war es dennoch der für mich schönste der letzten 18 Tage. Ich habe mich schon den ganzen Tag irgendwie darauf gefreut, dass sie bald wieder da sein würden und ich habe das selbe Gefühl zurück bekommen. Ich bin hier angekommen, definitiv. Das habe ich durch diesen Abend so sehr gespürt.

Zum Rest meiner letzten 18 Tage „allein“ in Maputo: Meine Gedanken habe ich euch ja bereits im letzten Eintrag versucht zu übermitteln, doch nachdem ich diesen verfasst hatte, änderte sich doch so einiges – zumindest in meinem Kopf. Auch wenn ich immernoch nicht angefangen habe zu tanzen so bin ich endlich mal dazu gekommen, rauszugehen. Ich hatte mir vorgenommen, jeden Tag nach der Arbeit in die Stadt zu fahren, egal ob ich wirklich was erledigen musste oder nicht. Ich war mit Anna bei DHL, um zu checken, ob unsere Pakete bzw. Briefe schon da sind, habe mich mit einem Freund zum Eis essen getroffen (Oh mein Gott, eindeutig das beste Eis bisher!), war auf dem Kunstmarkt Feirra und habe mir dort einen Rucksack aus Capulana gekauft, war einkaufen und habe am Ende des Tages gekocht, laut Musik gehört oder einfach vor dem Fernseher entspannt. Es tat gut, seinen Tag allein planen zu können, ohne von anderen so richtig abhängig zu sein.
In den letzten Tagen wurden Anna und ich auch wieder zunehmend unglücklicher was unsere Arbeit im Projekt angeht. Wir waren einen Tag bei Hbonny im Büro und schilderten ihm die Notwendigkeit von einem Projektwechsel, doch am Freitag hatte er dann keine so guten Nachrichten: Nur einer von uns wird das Projekt in zwei Wochen wechseln – und das ist Anna. Sie wird dann zusammen mit Inga bei KOFUNANA arbeiten und ich bleibe allein bei REMAR. Hbonny möchte auf mein Dringen bei dem Pastor nachfragen, ob ich eventuell im Jungshaus arbeiten könnte, wo bereits ein anderer deutscher Freiwilliger seit Januar ist. Ich glaube, so schwer es mir auch fallen wird, die Kinder in Liberdade zurück zu lassen, wäre das für mich doch die bessere Lösung. Und wenn ich sage für mich, dann meine ich für mein psychisches Ich. Ich denke bzw. hoffe, dass dieses Thema aber noch nicht abgehakt ist. Ich weiß nicht, ob ich das das ganze Jahr über so leicht durchstehe oder ob ich mich doch wieder irgendwann verkriechen könnte. Aber wie heißt es hier so schön: „Take your Time!“ Mehr dazu vielleicht später …
Am letzten Wochenende waren wir am Samstag wieder in Macaneta, um Alexandra, die neue Freiwillige aus Österreich (fliegt Ende des Monats leider schon wieder), unser kleines Paradies zu zeigen. Leider kamen wir nicht an einen ganz so traumhaften Strand, da es anscheinend davon abhängig ist, von wem man am Fluss mitgenommen wird, wo man zum Schluss dann landet. Dennoch hatten wir mal wieder einen wunderschönen Tag dort! Am Sonntag habe ich nur Wäsche gewaschen, etwas mit Duma (Der „Hausmann“ – Ja, ich kenne jetzt seinen Namen!) gequatscht und gekocht und generell viel Kraft für die neue Woche arbeiten getankt.

Wie ihr seht, ist in den letzten Wochen generell nicht viel passiert, nur dass ich leider von keinem positiven Verlauf, was die Arbeit im Projekt angeht, berichten kann.

Ich versuche euch, durch ein paar ausgewählte Bilder einen kleinen Abriss der letzten Wochen zu geben. Vor allem kann und darf ich aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Bilder vom Projekt bzw. den Kindern zeigen (Naja, halbe Kinder und hässliche Ecken im Projekt zählen jetzt mal nicht!). Wer mehr bzw. alle Bilder meines Abenteuers hier sehen möchte, muss  aufgrund der schlechten Internetsituation wohl auf nächstes Jahr Juli warten. 

Oh, noch etwas: Ich habe mein Rückflugtermin, jedoch möchte ich ihn noch nicht verraten, da ich selber gerade damit klar kommen muss, dass es echt noch so wahnsinnig lang hin ist. Was ich aber sagen kann, ist, dass es noch mehr als 300 Tage sind, bis ich euch ALLE wieder richtig in die Arme schließen kann. Sobald eine 2 ganz vorn steht, schmeißen Anna und ich eine Party, haben wir uns vorgenommen! Wir sind zur Zeit in einer wie ich finde ähnlichen Situation, allein durch die Sachen im Projekt und ich bin sehr glücklich, sie bis jetzt noch jeden Tag sehen und mit ihr reden zu können. Was wird das nur ohne Anna? :P

Das soll es für heute gewesen sein. Entschuldigt das Chaos, bin bei meinen Erzählungen nicht wirklich chronologisch vorgegangen. Ihr müsst mir das aber bitte verzeihen …

Eure Anni :)

PS (1): Eine positivere Zahl ist die folgende: 93! In genau 93 Tagen hole ich meine Eltern vom Flughafen ab und wir verbringen zwei wunderschöne Wochen hier in Maputo und Umland. Und um euch einen kleinen Schreck einzujagen: In 94 Tagen ist Weihnachten :D


PS (2): Fast vergessen: DANKE FÜR UNGLAUBLICHE 10.000 SEITENAUFRUFE! Ihr seid verrückt, wirklich! Ich habe mich so sehr darüber gefreut!

[Bilder kommen morgen, das Internet reicht heute leider nicht mehr aus.]
Einfach ein schönes Motiv, am Strand von Macaneta :)


Das war dieses mal unser Strand im Paradies. Wie gesagt, für uns nicht ganz so perfekt, wie beim ersten Mal. Für viele von euch wäre aber allein das schon unglaublich paradiesisch gewesen!
Sehr vertrauenserweckende Schilder Am EIngang zum Strand :D



Eine ,,Schöne" Ecke im Projekt ... 

Ja, an diesem Tag haben wir uns über WENIGE Fliegen gefreut. Immerhin saßen sie alle auf den Mülltüten :D

Und JA - es gab NUDELN für unsere Kids! Das war natürlich etwas ganz besonderes für die Kleinen und Großen :)

Montag, 8. September 2014

Zwischen ja und nein, zwischen Hoch und Tief - zwischen MIR.



Immer vorwärts, Schritt um Schritt 
Es gibt keinen Weg zurück 
Was jetzt ist, wird nie mehr ungescheh'n 
Die Zeit läuft uns davonWas getan ist, ist getan 
Was jetzt ist, wird nie mehr so gescheh'n.


Hallo ihr Lieben,

Auch, wenn es noch nicht lange her ist, dass ich mich das letzte Mal gemeldet habe, so habe ich schon seit 2 Tagen das Bedürfnis, etwas auf diesen Blog zu schreiben. Dieses Mal geht es allerdings nicht unbedingt um besondere Erfahrungen, um Veränderungen in meinem neuen Leben hier. Es geht viel mehr einmal um meine Gefühlslage, die mich seit einigen Tagen beschäftigt.

Doch zu Beginn dieses Eintrags hier dennoch eine kleine Geschichte aus meinem „Alltag“ in Maputo:
Wie ihr wisst, haben wir ja für die Wochenenden eine Stadt,,wohnung“ - ein Zimmer, in dem sich mittlerweile auch schon zwei große Matten und ein Korbsofa (Geschenk von der Vermieterin!?) befinden. Am vergangenen Freitag waren wir, wie schon häufiger (für mich war es dennoch das erste Mal!) in der Asociacao dos Musicos zum Jazzabend, wo ziemlich spontan ziemlich ziemlich gute Musik gemacht, getanzt, gesungen und gelacht wird. Der perfekte Ort für mich, um endlich mal andere Leute kennenzulernen, zu quatschen und aus dem Alltagstrott heraus zu kommen. Ein rundum schöner Abend, der aufgrund von Müdigkeit (die Arbeit bei REMAR hat an diesem Tag anscheinend sehr an unseren Kräften gezerrt) und plötzlichen Fieber von Anna gegen halb 12 in der Stadtwohnung ein Ende fand. Da lagen wir, unterhielten uns noch eine Weile, redeten über dies und das, lachten und schliefen letztendlich ein. Gegen 3 Uhr Nachts wurden wir allerdings wach – von einem komischen gluckern. Erst dachten wir, wir hätten wieder die Wasserhähne vor unserer Wohnung aufgedreht gelassen, wie die Woche zuvor. Ihr müsst wissen: Fließend Wasser haben wir von 3 bis 3, und dann 12 Stunden nicht. Deshalb wird natürlich jede Gelegenheit genutzt, das Wasser zu speichern, um zu duschen, die Zähne zu putzen oder auf Toilette zu gehen. So sollte es aber in dieser Nacht nicht gut für uns enden und es dauerte einige Minuten, bis wir begriffen, was da gerade passierte. Das Gluckern wurde mittlerweile zu einem Wasserfall-lauten rauschen, was einfach nicht enden wollte. Als Anna dann neben die Matratze griff, fühlte sie nur kaltes Wasser, was sich den Weg durch unsere Wohnung suchte. Sie spring auf, weckte uns endgültig und uns wurde erst ein paar Augenblicke später klar, dass wir einen kleinen (haha) Wasserfall in unserer Wohnung hatten. Das Loch, was wir in der Wand hatten, war laut der Vermieterin ganz ungefährlich. „Hier führt keine Leitung lang, keine Sorge“. Ja, genau. Das können wir sehen und leider auch SPÜREN! Nach weiteren 5 ahnungslosen Minuten entschieden wir uns dazu, die gesamte Einrichtung in den Hof zu tragen, inklusive unserer mittlerweile klitschnassen Backpackerrucksäcke (meiner stand natürlich genau unter dem Loch...). Nach einer halben Stunde trafen auch die letzten von uns Freiwilligen bei der Wohnung ein und konnten ihren Blicken kaum trauen. „Wir dachten, ihr übertreibt, als ihr uns angerufen habt.“ - „Nein, ganz bestimmt nicht!!!“. Da auch die mosambikanischen Jungs es nicht schafften, das Loch in der Wand zu stopfen und somit das Wasser zu stoppen weckten wir um halb 4 Uhr Nachts unsere Vermieterin, die Gott sei Dank gleich gegenüber wohnt. Sie legte unsere Wohnung trocken, stopfte das Loch mit einem Holzpflock und erklärte uns, sie würde einen Wasserhahn davor bauen. Super Idee, noch eine Stelle, an der wir dann unser Wasser speichern können! Ich für meinen Teil hatte nach der ganzen Aktion um 4 Uhr morgens genug von der Wohnung, genug von der Nacht und wollte einfach nur noch schnell nach Hause. Ich zog die letzten „trockenen“ Sachen aus meinem Rucksack an, packte alle zusammen und machte mich zusammen mit Marie, Anna und Alexandra (eine österreichische Freiwillige für einen Monat, sie lebt zusammen mit Anna beim Estadio) auf den Weg Richtung Machava. Gegen 5:30 Uhr lagen Marie und ich im Bett – ja, wir saßen im ersten Chapa nach Patrice. Wieder eine Sache abgehakt. Beinahe hätten wir den Sonnenaufgang miterlebt. Nach ca. 10 Minuten riefen dann Anna und Alexandra auf einmal an, die vor verschlossener Türe standen und einfach nur noch schlafen wollte. Klar, sie können gern zu mir kommen und so wurde das Haus meiner Gastfamilie zur Aufnahmestelle für durchgefrorene, übermüdete Backpacker-Freiwilliger. Die einzige, die in dieser „Nacht“ nur kaum noch ein Auge zugemacht hat, war ich. Dafür gab es gegen 12 Uhr Königsfrühstück, mit Butter, Marmelade, Erdnussbutter, Käse, Tee und Saft. Auch Yohanna kam später noch dazu. Alles in allem war es eine chaotische Nacht, die ich dennoch nicht missen will - einfach weil es zu verrückt war! Und nein, leider habe ich im Schrecken des Moments kein Foto vom Zustand der Wohnung gemacht. Schade eigentlich. Es gibt lediglich ein sympatisches Bild, wie wir uns Richtung Chapastation aufmachten.

Auf dem Weg zum ersten Chapa nach Hause. Sympathisch, Anna :D
(Emmi, Alexandra, Anna, Lion)

So, und nun zum eigentlichen Thema dieses Eintrags. Der kleine Bericht ist ja doch etwas länger geworden, aber ich musste euch einfach detailliert darüber berichten, da man es sich sonst einfach nicht vorstellen kann!
Ja, warum geht es mir in den letzten Tagen irgendwie so komisch? Ich denke, das liegt zum ganz großen Teil daran, dass ich seit Dienstag, also nun fast einer Woche allein zu Hause bin. Meine komplette Gastfamilie ist nach Nampula geflogen, wo am Freitag die Hochzeit der Schwester meiner Gastmutter stattfand. Danach folgt jetzt der zweiwöchige Traumfamilienurlaub – ich glaube, sie sind zur Ilha de Mocambique, der ehemaligen Hauptstadt Mosambiks gefahren, denn meine Gastmutter hat gefühlt 10 Bikinis einpacken wollen, als ich, ja ICH, die Sachen für meine neuen Eltern und Aillen packen durfte. „Du hast das mit deinen Sachen auch geschafft.“ (Gledice) oder viel besser noch von Nercio „Ich weiß doch gar nicht, was ich zu erst einpacken soll!“. Später hieß es dann: „Das nächste Mal kann ich das jetzt allein! Aber lass uns lieber nochmal wiederholen: Erst Pullover und Jacken, dann Hosen, Shirts, und alles andere dazwischen klemmen.“. Ja, fein gelernt, Nercio. Manchmal mag ich sie ja schon, diese Familie! Nein ganz im Ernst, ich liebe meine Gastfamilie und kann es hier gar nicht oft genug schreiben! Genau deshalb fällt es mir aber auch wahnsinnig schwer, allein hier zu sein. Gledice fragte mich schon in der erste Woche, ob ich damit ein Problem hätte. Nein, habe ich grundsätzlich nicht, aber selbst in Deutschland bin ich einfach nicht gern allein. Ich habe gern meine Ruhe, Zeit für mich. Ich mag es, einen faulen Nachmittag allein vor dem Fernseher zu liegen, in meinem Bett zu lümmeln und einfach gute Musik zu hören oder etwas zu lesen. Wenn dann nur eben noch jemand irgendwo im Haus wäre... Wenigstens das Gefühl, nicht einsam zu sein, das brauche ich doch irgendwie. Und wie gesagt, nicht nur, weil es Mosambik ist sondern so bin ich einfach. Ich mag es zu wissen, dass jemand um mich herum ist, mit dem ich mich, wenn ich es möchte, unterhalten oder, wie mit Nercio, englischsprachige Filme mit portugiesischen Untertiteln schauen kann. Auch die quirlige und oft weinende oder schreiende Aillen fehlt mir. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen werde. Natürlich gibt es auch Momente, in denen ich richtig froh bin, allein zu sein, wie zum Beispiel beim abendlichen Skypen, weil ich dann nicht aufpassen muss, dass mein Ton zu laut gestellt ist und ich sie somit aufwecke.
In dieses Gefühl des einsam–Seins habe ich mich in den letzten Tagen verkrochen. Am Samstag hatte ich nach der Nacht keine Lust mehr, etwas zu unternehmen, aber auch die anderen haben nur noch etwas Zeit in der Wohnung verbracht. Am Sonntag sind dann alle nach Catembe gefahren. Ich weiß nicht, aber irgendetwas trieb mich dazu, mal allein in die Stadt zu fahren, rumzulaufen und mir letztendlich drei wunderschöne Capulanas zu kaufen. Ich habe es total genossen, auch wenn die Straßen maputos zu dieser Uhrzeit (gegen 11 Uhr) unheimlich leer waren. Klar, es war Sonntag und fast jeder in der Kirche. Eigentlich wollte auch ich nach Machava fahren, zu REMAR, um den Kindern eine Freude zu bereiten, da wir heute, am Montag nicht arbeiten gehen würden. Aber wieder hielt mich irgendwas zurück, mich unter mir bekannte Menschen zu treiben. Und so genoss ich die kurze Zeit für mich allein in Maputo. Zurück daheim habe ich mich ans Wäsche waschen gemacht, wofür ich mir ausgesprochen viel Zeit ließ. Ich erklärte auch der anderen Familie auf dem Hof auf portugiesisch (!!!), was in der vorherigen Nacht passiert war und weshalb so viele Mädchen bei mir geschlafen haben. Sie lachten und freuten sich, dass ich mal wieder mit ihnen geredet habe. Auch dazu war meine Motivation in den letzten Wochen irgendwie gesunken (entschuldige, Vovo...). Nachmittags schaute ich dann Lyria, der Mutter der Familie, dabei zu, wie sie die Haare ihrer Tochter, Rosinha (oh wie ich die kleine liebe!), zu kleinen Minidutts oder ähnlichem zusammen drehte. Danach habe ich noch mit meinem Bruder geskypet. Es war ein rundum schöner, entspannter Tag, den ich sehr genossen habe und ich freute mich eigentlich auf heute. Die anderen planten, an die Costa do Sol zu fahren, doch heute morgen merkte ich, dass mich heute keine zehn Pferde aus dem Haus bekommen sollten. Und so beschloss ich, wieder nur zu Hause zu bleiben, lief einmal zu meinem mittlerweile Stammbäcker, holte Brot, kochte zusammen mit unserem „Hausmann“, der jeden Sonntag und manchmal anscheinend auch Montag hier ist, um Haus und Hof zu putzen, mein Essen für heute und morgen: Reis mit Möhren und Bohnen, dazu lecker lecker Hühnchen. Eigentlich mein Standard- aber auch Lieblingsessen hier. Danach lag ich im wahrsten Sinne des Wortes rum wie ein Nilpferd am Wasserloch. Ich war nicht mal in der Lage, unserem lieben Hausmann, dessen Name ich doch tatsächlich nicht schreiben kann, ein wenig unter die Arme zu greifen. Eigentlich wollte ich heute zum Afroswing gehen, und endlich wieder tanzen! Aber da die anderen auch da abgesprungen sind, entschied ich mich für einen entspannten Abend vor dem Fernseher. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist...
In den letzten Tagen schwebe ich zwischen Aufregung, Vorfreude auf das nächste Jahr, Motivation, ungewöhnliche Erfahrungen zu machen und auf der anderen Seite der Depression, die Zeit würde hier nie vergehen, ich will ganz schnell wieder nach Hause und habe keine Motivation, nur eine Kleinigkeit neben der Arbeit zu unternehmen. Es ist einfach so ein komisches Gefühl – zwischen zwei Polen, die beide an mir ziehen und beide so viel von mir verlangen. An manchen Tagen fühle ich mich müde vom vielen Nachdenken über diese beiden so unterschiedlichen Gefühlslagen. Und im nächsten Moment bin ich der vollen Überzeugung, dieses Problem endlich anzugehen!

Nagut, mit diesem positiven Gedanken möchte ich diese Eintrag schließen. Ich hoffe, die nächsten Wochen werden besser, gefüllter mit mehr Alltag, mit mehr aufregenden Eindrücken – mit mehr MOSAMBIK!

Bis dahin, meldet euch mal, ich brauch das zur Zeit so sehr! Über Call-By-Call-Nummer könnt ihr mich sogar recht günstig anrufen, aber ich zwinge hier natürlich keinen!


Eure Anni :)

PS (1): Abends höre ich gern meine einzige CD, die ich mit nach Mosambik genommen habe: Scala and Kolazny Brothers. Auf dieser ist das Lied "Kein Zurück" von Wolsfheim drauf, aus dem auch die Zeilen zu Beginn dieses Eintrags sind. Es ist über die Zeit meine Motivation geworden und ich tanke daraus viel Kraft...

PS (2): Die Arbeit bei REMAR macht mir Sorgen, Anna und ich werden einfach nicht glücklich und doch liebe ich die Kinder jetzt schon! Ich vertraue auf den Worten der ehemaligen Freiwilligen, die uns versuchen, viel Mut und Hoffnung zu machen. Eins steht für mich aber fest: Ich möchte REMAR nicht verlassen, egal was passiert! Vielleicht finde ich mal einen guten Schreibmoment, in dem ich fair über die Zustände im Projekt berichten kann. Zum jetztigen Zeitpunkt ist es mir leider noch nicht möglich. Ich möchte keinem ein falsches, unangebrachtes Bild von meiner Arbeit geben, deshalb verzeiht mir bitte.

Hier noch ein paar Bilder aus meinem Alltag :)

Allein zu Hause heißt oft auch allein kochen...

Hier das Ergebnis: Öl-Nudeln mit Zwiebeln, Mühren, Paprika, künstlicher Hühnchenwurst und Käse!
Lalalalala - LECKER!

Meine neuen Capulanas :) Sogar das erste mal gehandelt habe ich!

Von wegen meine Haut kann nicht braun werden: An meinen Füßen sieht man doch ganz deutlich meine Fliflopabdrücke!