Von August 2014 bis Juli 2015 habe ich in Mosambik gelebt und gearbeitet. Auf diesen Seiten werde ich von einige Eindrücke und Erfahrungen von meinem Freiwilligendienst in Maputo, der Hauptstadt, berichten. Bitte bedenkt, dass lediglich meine persönliche Sicht auf die Dinge hier zu lesen sein wird und dies nicht zu verallgemeinern ist! Es freut mich, dass ihr hier her gefunden habt!

Montag, 8. September 2014

Zwischen ja und nein, zwischen Hoch und Tief - zwischen MIR.



Immer vorwärts, Schritt um Schritt 
Es gibt keinen Weg zurück 
Was jetzt ist, wird nie mehr ungescheh'n 
Die Zeit läuft uns davonWas getan ist, ist getan 
Was jetzt ist, wird nie mehr so gescheh'n.


Hallo ihr Lieben,

Auch, wenn es noch nicht lange her ist, dass ich mich das letzte Mal gemeldet habe, so habe ich schon seit 2 Tagen das Bedürfnis, etwas auf diesen Blog zu schreiben. Dieses Mal geht es allerdings nicht unbedingt um besondere Erfahrungen, um Veränderungen in meinem neuen Leben hier. Es geht viel mehr einmal um meine Gefühlslage, die mich seit einigen Tagen beschäftigt.

Doch zu Beginn dieses Eintrags hier dennoch eine kleine Geschichte aus meinem „Alltag“ in Maputo:
Wie ihr wisst, haben wir ja für die Wochenenden eine Stadt,,wohnung“ - ein Zimmer, in dem sich mittlerweile auch schon zwei große Matten und ein Korbsofa (Geschenk von der Vermieterin!?) befinden. Am vergangenen Freitag waren wir, wie schon häufiger (für mich war es dennoch das erste Mal!) in der Asociacao dos Musicos zum Jazzabend, wo ziemlich spontan ziemlich ziemlich gute Musik gemacht, getanzt, gesungen und gelacht wird. Der perfekte Ort für mich, um endlich mal andere Leute kennenzulernen, zu quatschen und aus dem Alltagstrott heraus zu kommen. Ein rundum schöner Abend, der aufgrund von Müdigkeit (die Arbeit bei REMAR hat an diesem Tag anscheinend sehr an unseren Kräften gezerrt) und plötzlichen Fieber von Anna gegen halb 12 in der Stadtwohnung ein Ende fand. Da lagen wir, unterhielten uns noch eine Weile, redeten über dies und das, lachten und schliefen letztendlich ein. Gegen 3 Uhr Nachts wurden wir allerdings wach – von einem komischen gluckern. Erst dachten wir, wir hätten wieder die Wasserhähne vor unserer Wohnung aufgedreht gelassen, wie die Woche zuvor. Ihr müsst wissen: Fließend Wasser haben wir von 3 bis 3, und dann 12 Stunden nicht. Deshalb wird natürlich jede Gelegenheit genutzt, das Wasser zu speichern, um zu duschen, die Zähne zu putzen oder auf Toilette zu gehen. So sollte es aber in dieser Nacht nicht gut für uns enden und es dauerte einige Minuten, bis wir begriffen, was da gerade passierte. Das Gluckern wurde mittlerweile zu einem Wasserfall-lauten rauschen, was einfach nicht enden wollte. Als Anna dann neben die Matratze griff, fühlte sie nur kaltes Wasser, was sich den Weg durch unsere Wohnung suchte. Sie spring auf, weckte uns endgültig und uns wurde erst ein paar Augenblicke später klar, dass wir einen kleinen (haha) Wasserfall in unserer Wohnung hatten. Das Loch, was wir in der Wand hatten, war laut der Vermieterin ganz ungefährlich. „Hier führt keine Leitung lang, keine Sorge“. Ja, genau. Das können wir sehen und leider auch SPÜREN! Nach weiteren 5 ahnungslosen Minuten entschieden wir uns dazu, die gesamte Einrichtung in den Hof zu tragen, inklusive unserer mittlerweile klitschnassen Backpackerrucksäcke (meiner stand natürlich genau unter dem Loch...). Nach einer halben Stunde trafen auch die letzten von uns Freiwilligen bei der Wohnung ein und konnten ihren Blicken kaum trauen. „Wir dachten, ihr übertreibt, als ihr uns angerufen habt.“ - „Nein, ganz bestimmt nicht!!!“. Da auch die mosambikanischen Jungs es nicht schafften, das Loch in der Wand zu stopfen und somit das Wasser zu stoppen weckten wir um halb 4 Uhr Nachts unsere Vermieterin, die Gott sei Dank gleich gegenüber wohnt. Sie legte unsere Wohnung trocken, stopfte das Loch mit einem Holzpflock und erklärte uns, sie würde einen Wasserhahn davor bauen. Super Idee, noch eine Stelle, an der wir dann unser Wasser speichern können! Ich für meinen Teil hatte nach der ganzen Aktion um 4 Uhr morgens genug von der Wohnung, genug von der Nacht und wollte einfach nur noch schnell nach Hause. Ich zog die letzten „trockenen“ Sachen aus meinem Rucksack an, packte alle zusammen und machte mich zusammen mit Marie, Anna und Alexandra (eine österreichische Freiwillige für einen Monat, sie lebt zusammen mit Anna beim Estadio) auf den Weg Richtung Machava. Gegen 5:30 Uhr lagen Marie und ich im Bett – ja, wir saßen im ersten Chapa nach Patrice. Wieder eine Sache abgehakt. Beinahe hätten wir den Sonnenaufgang miterlebt. Nach ca. 10 Minuten riefen dann Anna und Alexandra auf einmal an, die vor verschlossener Türe standen und einfach nur noch schlafen wollte. Klar, sie können gern zu mir kommen und so wurde das Haus meiner Gastfamilie zur Aufnahmestelle für durchgefrorene, übermüdete Backpacker-Freiwilliger. Die einzige, die in dieser „Nacht“ nur kaum noch ein Auge zugemacht hat, war ich. Dafür gab es gegen 12 Uhr Königsfrühstück, mit Butter, Marmelade, Erdnussbutter, Käse, Tee und Saft. Auch Yohanna kam später noch dazu. Alles in allem war es eine chaotische Nacht, die ich dennoch nicht missen will - einfach weil es zu verrückt war! Und nein, leider habe ich im Schrecken des Moments kein Foto vom Zustand der Wohnung gemacht. Schade eigentlich. Es gibt lediglich ein sympatisches Bild, wie wir uns Richtung Chapastation aufmachten.

Auf dem Weg zum ersten Chapa nach Hause. Sympathisch, Anna :D
(Emmi, Alexandra, Anna, Lion)

So, und nun zum eigentlichen Thema dieses Eintrags. Der kleine Bericht ist ja doch etwas länger geworden, aber ich musste euch einfach detailliert darüber berichten, da man es sich sonst einfach nicht vorstellen kann!
Ja, warum geht es mir in den letzten Tagen irgendwie so komisch? Ich denke, das liegt zum ganz großen Teil daran, dass ich seit Dienstag, also nun fast einer Woche allein zu Hause bin. Meine komplette Gastfamilie ist nach Nampula geflogen, wo am Freitag die Hochzeit der Schwester meiner Gastmutter stattfand. Danach folgt jetzt der zweiwöchige Traumfamilienurlaub – ich glaube, sie sind zur Ilha de Mocambique, der ehemaligen Hauptstadt Mosambiks gefahren, denn meine Gastmutter hat gefühlt 10 Bikinis einpacken wollen, als ich, ja ICH, die Sachen für meine neuen Eltern und Aillen packen durfte. „Du hast das mit deinen Sachen auch geschafft.“ (Gledice) oder viel besser noch von Nercio „Ich weiß doch gar nicht, was ich zu erst einpacken soll!“. Später hieß es dann: „Das nächste Mal kann ich das jetzt allein! Aber lass uns lieber nochmal wiederholen: Erst Pullover und Jacken, dann Hosen, Shirts, und alles andere dazwischen klemmen.“. Ja, fein gelernt, Nercio. Manchmal mag ich sie ja schon, diese Familie! Nein ganz im Ernst, ich liebe meine Gastfamilie und kann es hier gar nicht oft genug schreiben! Genau deshalb fällt es mir aber auch wahnsinnig schwer, allein hier zu sein. Gledice fragte mich schon in der erste Woche, ob ich damit ein Problem hätte. Nein, habe ich grundsätzlich nicht, aber selbst in Deutschland bin ich einfach nicht gern allein. Ich habe gern meine Ruhe, Zeit für mich. Ich mag es, einen faulen Nachmittag allein vor dem Fernseher zu liegen, in meinem Bett zu lümmeln und einfach gute Musik zu hören oder etwas zu lesen. Wenn dann nur eben noch jemand irgendwo im Haus wäre... Wenigstens das Gefühl, nicht einsam zu sein, das brauche ich doch irgendwie. Und wie gesagt, nicht nur, weil es Mosambik ist sondern so bin ich einfach. Ich mag es zu wissen, dass jemand um mich herum ist, mit dem ich mich, wenn ich es möchte, unterhalten oder, wie mit Nercio, englischsprachige Filme mit portugiesischen Untertiteln schauen kann. Auch die quirlige und oft weinende oder schreiende Aillen fehlt mir. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen werde. Natürlich gibt es auch Momente, in denen ich richtig froh bin, allein zu sein, wie zum Beispiel beim abendlichen Skypen, weil ich dann nicht aufpassen muss, dass mein Ton zu laut gestellt ist und ich sie somit aufwecke.
In dieses Gefühl des einsam–Seins habe ich mich in den letzten Tagen verkrochen. Am Samstag hatte ich nach der Nacht keine Lust mehr, etwas zu unternehmen, aber auch die anderen haben nur noch etwas Zeit in der Wohnung verbracht. Am Sonntag sind dann alle nach Catembe gefahren. Ich weiß nicht, aber irgendetwas trieb mich dazu, mal allein in die Stadt zu fahren, rumzulaufen und mir letztendlich drei wunderschöne Capulanas zu kaufen. Ich habe es total genossen, auch wenn die Straßen maputos zu dieser Uhrzeit (gegen 11 Uhr) unheimlich leer waren. Klar, es war Sonntag und fast jeder in der Kirche. Eigentlich wollte auch ich nach Machava fahren, zu REMAR, um den Kindern eine Freude zu bereiten, da wir heute, am Montag nicht arbeiten gehen würden. Aber wieder hielt mich irgendwas zurück, mich unter mir bekannte Menschen zu treiben. Und so genoss ich die kurze Zeit für mich allein in Maputo. Zurück daheim habe ich mich ans Wäsche waschen gemacht, wofür ich mir ausgesprochen viel Zeit ließ. Ich erklärte auch der anderen Familie auf dem Hof auf portugiesisch (!!!), was in der vorherigen Nacht passiert war und weshalb so viele Mädchen bei mir geschlafen haben. Sie lachten und freuten sich, dass ich mal wieder mit ihnen geredet habe. Auch dazu war meine Motivation in den letzten Wochen irgendwie gesunken (entschuldige, Vovo...). Nachmittags schaute ich dann Lyria, der Mutter der Familie, dabei zu, wie sie die Haare ihrer Tochter, Rosinha (oh wie ich die kleine liebe!), zu kleinen Minidutts oder ähnlichem zusammen drehte. Danach habe ich noch mit meinem Bruder geskypet. Es war ein rundum schöner, entspannter Tag, den ich sehr genossen habe und ich freute mich eigentlich auf heute. Die anderen planten, an die Costa do Sol zu fahren, doch heute morgen merkte ich, dass mich heute keine zehn Pferde aus dem Haus bekommen sollten. Und so beschloss ich, wieder nur zu Hause zu bleiben, lief einmal zu meinem mittlerweile Stammbäcker, holte Brot, kochte zusammen mit unserem „Hausmann“, der jeden Sonntag und manchmal anscheinend auch Montag hier ist, um Haus und Hof zu putzen, mein Essen für heute und morgen: Reis mit Möhren und Bohnen, dazu lecker lecker Hühnchen. Eigentlich mein Standard- aber auch Lieblingsessen hier. Danach lag ich im wahrsten Sinne des Wortes rum wie ein Nilpferd am Wasserloch. Ich war nicht mal in der Lage, unserem lieben Hausmann, dessen Name ich doch tatsächlich nicht schreiben kann, ein wenig unter die Arme zu greifen. Eigentlich wollte ich heute zum Afroswing gehen, und endlich wieder tanzen! Aber da die anderen auch da abgesprungen sind, entschied ich mich für einen entspannten Abend vor dem Fernseher. Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist...
In den letzten Tagen schwebe ich zwischen Aufregung, Vorfreude auf das nächste Jahr, Motivation, ungewöhnliche Erfahrungen zu machen und auf der anderen Seite der Depression, die Zeit würde hier nie vergehen, ich will ganz schnell wieder nach Hause und habe keine Motivation, nur eine Kleinigkeit neben der Arbeit zu unternehmen. Es ist einfach so ein komisches Gefühl – zwischen zwei Polen, die beide an mir ziehen und beide so viel von mir verlangen. An manchen Tagen fühle ich mich müde vom vielen Nachdenken über diese beiden so unterschiedlichen Gefühlslagen. Und im nächsten Moment bin ich der vollen Überzeugung, dieses Problem endlich anzugehen!

Nagut, mit diesem positiven Gedanken möchte ich diese Eintrag schließen. Ich hoffe, die nächsten Wochen werden besser, gefüllter mit mehr Alltag, mit mehr aufregenden Eindrücken – mit mehr MOSAMBIK!

Bis dahin, meldet euch mal, ich brauch das zur Zeit so sehr! Über Call-By-Call-Nummer könnt ihr mich sogar recht günstig anrufen, aber ich zwinge hier natürlich keinen!


Eure Anni :)

PS (1): Abends höre ich gern meine einzige CD, die ich mit nach Mosambik genommen habe: Scala and Kolazny Brothers. Auf dieser ist das Lied "Kein Zurück" von Wolsfheim drauf, aus dem auch die Zeilen zu Beginn dieses Eintrags sind. Es ist über die Zeit meine Motivation geworden und ich tanke daraus viel Kraft...

PS (2): Die Arbeit bei REMAR macht mir Sorgen, Anna und ich werden einfach nicht glücklich und doch liebe ich die Kinder jetzt schon! Ich vertraue auf den Worten der ehemaligen Freiwilligen, die uns versuchen, viel Mut und Hoffnung zu machen. Eins steht für mich aber fest: Ich möchte REMAR nicht verlassen, egal was passiert! Vielleicht finde ich mal einen guten Schreibmoment, in dem ich fair über die Zustände im Projekt berichten kann. Zum jetztigen Zeitpunkt ist es mir leider noch nicht möglich. Ich möchte keinem ein falsches, unangebrachtes Bild von meiner Arbeit geben, deshalb verzeiht mir bitte.

Hier noch ein paar Bilder aus meinem Alltag :)

Allein zu Hause heißt oft auch allein kochen...

Hier das Ergebnis: Öl-Nudeln mit Zwiebeln, Mühren, Paprika, künstlicher Hühnchenwurst und Käse!
Lalalalala - LECKER!

Meine neuen Capulanas :) Sogar das erste mal gehandelt habe ich!

Von wegen meine Haut kann nicht braun werden: An meinen Füßen sieht man doch ganz deutlich meine Fliflopabdrücke!


2 Kommentare:

  1. Hallo liebe Anni, du merkst, es ist schon wieder Montag. Bei uns ist der Sommer zurückgekehrt. Tagsüber bis 25°C, da kann man nicht meckern. Franzi und ich gehen noch jeden Tag schwimmen. Außer uns traut sich fast niemand mehr in den See. Egal, dann haben wir das ganze Wasser eben für uns. Leider ist morgen mein letzter Urlaubstag. An das Faulenzen könnte man sich gewöhnen. Aber von nichts kommt nichts. Das gilt für mich natürlich genauso wie für dich. Beim Volleyball haben wir 2 Neuzugänge zu verzeichnen. Du siehst, es geht wieder aufwärts. Ich freue mich schon wieder auf Mittwoch und die neuesten Nachrichten von deiner Mama. Ich merke, dass sie total stolz auf dich ist. Und das kann sie ja auch. Mach' so weiter wie bisher, die Zeit rennt. Für heute ganz liebe Grüße von Kati.

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  2. Liebe Anni, als ich dir vor einer Woche geschrieben habe, war es noch sommerlich warm. Ich glaube, jetzt hat der Herbst begonnen. Vorgestern waren wir noch schwimmen, heute könnte man fast schon einen Schal brauchen. Heute habe ich Bilder von deiner Mama gesehen - auf einem Pferd. Und dabei hat sie eine tolle Figur gemacht. In ihr scheinen ungeahnte Talente zu schlummern. Die Gymnasiasten sind heute auf Kursfahrt gegangen. Bei dir ist das jetzt auch schon wieder ein Jahr her! Dabei war es doch erst vor kurzem. Da kann man mal sehen, wie die Zeit vergeht. Was machen die Chapas? Wie geht es den Kindern? Was steht bei euch an? Für die nächsten Tage wünsche ich dir viel Kraft und Durchhaltevermögen. Bis demnächst. Viele Grüße von Kati

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